Ein Katholikentag umringt von zahlreichen Wahlen
Reden statt Schreien
Foto: Katholikentag
Politisch waren sie schon immer, die Großtreffen der deutschen Katholikinnen und Katholiken. Doch der kommende Katholikentag in Erfurt wird aller Voraussicht nach politischer denn je. „Uns geht es vor allem darum, Haltung zu zeigen“, sagt Andreas Kratel, der Abteilungsleiter für Großveranstaltungen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Ganz bewusst zögen sich daher „die Themen Demokratie und Vielfalt wie ein roter Faden durch das Programm“ mit seinen rund 500 Einzelveranstaltungen, so Kratel. Das ZdK erhoffe sich vom 103. Katholikentag, der vom 29. Mai bis 2. Juni dauert, ein „starkes Signal für die Demokratie“ vor den kommenden Wahlen. Für diese haben zuletzt sämtliche Umfrageinstitute einen deutlichen Rechtsruck in Deutschland prognostiziert.
„Da der Katholikentag nur eine Woche nach den Kommunalwahlen in Thüringen und eine Woche vor der Europawahl sowie im Vorfeld von gleich drei Landtagswahlen in Ostdeutschland stattfindet, hat es sich gefügt, dass wir damit mitten hinein in die parteipolitischen Debatten kommen“, sagt Ulrich Neymeyr, der Bischof des Gastgeberbistums. Bereits zur Auftaktveranstaltung werden Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet. Mit Bundeskanzler Olaf Scholz, Extremismusforscher Matthias Quent und Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa ist eine Podiumsdiskussion zum Thema „Gemeinschaft stärken – Gesellschaft gestalten“ geplant; um nur mal zwei Beispiele zu nennen.
Begegnungen an der Straßenbahnhaltestelle
Den Einfluss von Kirchentreffen auf das Wahlverhalten der Menschen schätzt der Bischof allerdings als gering ein. Er sagt: „Es geht eher darum, Nachdenklichkeit hervorzurufen“ sowie Positionen der katholischen Kirche, etwa zur Unverletzlichkeit der Menschenwürde, wieder stärker „in die Gesellschaft zu transportieren“. Auch solle „der Katholikentag in die derzeit oft sehr aufgebrachten politischen Debatten eine gewisse Gelassenheit einbringen und damit zur Beruhigung der Gesellschaft insgesamt beitragen“.
Das sieht auch Claudio Kullmann, der Leiter des Katholischen Büros in Erfurt, so: „Die politische Großwetterlage im Land wird sich dadurch nicht drehen.“ Ohnedies seien die Auswirkungen von Großveranstaltungen eher indirekter Art. Vor allem von den vielen Begegnungen unterschiedlichster Menschen „auf der Straße, an der Straßenbahnhaltestelle oder bei den Veranstaltungen“ erhofft sich Kullmann positive Auswirkungen auf die demokratische Kultur im Land. Er sagt: „Auf dem Katholikentag wollen wir bewusst eine andere Debattenkultur auch zu drängenden gesellschaftspolitischen Fragen pflegen“ – etwa zur Migration, dem Umweltschutz, dem Umgang mit Geflüchteten oder dem Schutz des menschlichen Lebens am Anfang und am Ende. „Es geht darum, sich wieder respektvoll miteinander auszutauschen, dem anderen wirklich zuzuhören und sich nicht gegenseitig anzuschreien oder anderweitig zu diskreditieren“, sagt Kullmann.
Der Ausschluss von AfD-Politikern bedeutet laut Neymeyr und Kullmann aber nicht, dass man sich mit deren Wählerschaft nicht auseinandersetzen wolle, schließlich könnten sich an den Katholikentagsdebatten alle Menschen beteiligen. „Es gibt ja auch etliche Katholiken, die manche Positionen der AfD sehr befürworten. Mit diesen Menschen möchten wir ins Gespräch kommen“, sagt Neymeyr. Gleichwohl sei die AfD „keine Partei wie jede andere“, betont Kullmann. Das erlebt der Verbindungsmann der katholischen Bischöfe zur Politik quasi täglich im Thüringer Landtag: „Das ist eine Partei, die versucht, mit demokratischen Mitteln die parlamentarische Demokratie an sich zu beschädigen. Das kann uns als Kirche nicht kaltlassen.“
„Schon immer eher progressiv“
Doch ist das Programm des Katholikentags dazu angetan, auch Menschen anzulocken, die mit der AfD sympathisieren und mit denen eine konstruktive Diskussion jetzt so wichtig wäre? Manch einer zweifelt daran. Einige der Veranstaltungen, etwa zum Gendern oder „der Leib Christi ist queer“, hätten mit der Lebenswirklichkeit der meisten Ostdeutschen nichts zu tun, monierte der Christdemokrat und ehemalige Erfurter Oberbürgermeister Manfred Ruge, der im Dezember als Vorsitzender des Trägervereins des Katholikentags zurücktrat.
Ruges Vorwurf aber will ZdK-Chefplaner Kratel so nicht stehen lassen. Neben den genannten Themen gebe es auf dem Katholikentag rund 80 Veranstaltungen, die sich mit der deutschen Geschichte, der DDR, der deutschen Einheit sowie Ostdeutschland beschäftigen.
Auch Kullmann kann die Tadel kaum nachvollziehen. „Das ist mehr oder weniger eins zu eins das, was man schon seit Jahrzehnten hört. Auf den Katholikentagen wurden schon immer eher progressive Positionen vertreten“, sagt er.
Auf die Kritik Ruges, zum Katholikentag seien vornehmlich Politiker der Ampel-Parteien eingeladen worden, reagiert man beim ZdK und im Bistum Erfurt ebenfalls gelassen. Neben dem Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt wird auch der sachsen-anhaltinische Landeschef Reiner Haseloff am Katholikentreffen teilnehmen.
Zudem sind laut Kratel noch weitere Unions-Spitzenpolitiker angefragt worden – etwa der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann oder Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Henrik Wüst. Zusagen aber gab es von ihnen nicht – anders als von vielen Ampel-Politikern. Neben Bundeskanzler Scholz wollen auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Familienministerin Lisa Paus sowie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt nach Erfurt kommen.
Zur Sache:
Der 103. Katholikentag im Internet: www.katholikentag.de