Ein Jahr nach dem Anschlag von Hanau

Religionsvertreter erinnern an Terroropfer

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Kurz vor dem Jahrestag des Attentats von Hanau erinnern Religionsvertreter und Politiker an Opfer und Angehörige. Zugleich warnten sie vor einer Spaltung der Gesellschaft durch Hass und Hetze.

Ein Graffiti an einer Hauswand erinnert an den Anschlag von Hanau vor einem Jahr. "Niemals vergessen" steht darauf", daneben sind die Namen der Opfer und zwei Friedenstauben abgebildet.
"Niemals vergessen": Dieses Grafitti erinnert an den Anschlag von Hanau. 

"Viele Betroffene leiden noch heute unter den Spätfolgen des Anschlags", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. "Ihnen gilt unsere Solidarität und unser Mitgefühl." Die Aufarbeitung des Verbrechens sei noch nicht abgeschlossen. "Der Täter hat sich nicht in einem Vakuum radikalisiert. Jetzt gilt es, die rechtsextremen Netzwerke, die weiterhin existieren, aufzudecken", so Schuster. Daneben müssten all jene Kräfte dauerhaft gestärkt werden, die sich unermüdlich und oft mit hohem persönlichen Risiko für eine wehrhafte Demokratie einsetzten.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erklärte eine "gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung" mit den Ursachen von Rassismus für unabdingbar. "Das entsprechende Gedankengut muss im Keim erstickt werden."

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe die Bürger auf, sich für Weltoffenheit, Toleranz und demokratische Werte einzusetzen.

Ähnlich äußerte sich Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Zugleich nahm er die Politik in die Verantwortung, "zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte verlässlich zu fördern, die für Vielfalt und Menschlichkeit eintreten und gegen Rassismus und Intoleranz aufstehen".

Nach Einschätzung von Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist die Bedrohung durch politisch motivierte Gewalttäter ein Jahr nach dem Attentat unverändert hoch. Durch die Digitalisierung der Gesellschaft finde zudem eine virtuelle Vernetzung von Extremisten statt, warnte Strobl in der "Rheinischen Post". "Man kann heute Rechtsextremist sein, ohne jemals anderen Rechtsextremisten von Angesicht zu Angesicht begegnet zu sein."

Auch der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke, mahnte im Deutschlandfunk mehr Wachsamkeit gegenüber Rechtsextremismus in Deutschland an. Die Tat von Hanau müsse lückenlos aufgeklärt werden.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte: "Es muss vor allem über zweierlei gesprochen werden: über den Umgang mit Angehörigen von Opfern rechter Gewalt und über das 'Wie' - wie konnte es überhaupt so weit kommen?"

Am 19. Februar 2020 hatte der 43 Jahre alte Deutsche Tobias R. neun Menschen mit ausländischen Wurzeln in Hanau erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Die Bundesanwaltschaft attestierte dem Täter eine zutiefst rassistische Gesinnung. Am Freitagabend ist in der hessischen Stadt ein Gedenken mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geplant. Zum Ende der Veranstaltung sollen um 19.02 Uhr, der Uhrzeit, an der die Tat geschah, alle Glocken der Stadt läuten.

kna