Anfrage
"Schau auf den Glauben deiner Kirche"
„Herr, schaue nicht auf meine Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche!“ Dieses Gebet folgt in jeder Messfeier nach dem „Vaterunser.“ Wer oder was ist mit „deiner Kirche“ gemeint? Ist das Glaubenszeugnis der Kirche nicht noch viel fragwürdiger? Ludger Petersmann, Eschweiler
Das Gebet gehört zum Friedensgruß. Bevor die Gemeinde diesen austauscht, gibt es eine Erläuterung: dass es hier nämlich nicht um gegenseitige Nettigkeit geht, sondern um einen Frieden, den Gott schenkt. Deshalb beginnt der Ritus so: „Der Herr hat zu seinen Aposteln gesagt, Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ Das sagt der Herr in seiner großen Abschiedsrede vor seinem Leiden (Johannes 14-17).
Verbunden mit dem Friedensversprechen ist später in der Rede das Gebet um Einheit. „Alle sollen eins sein“ , bittet Jesus seinen Vater (Joh 17,21). Und auch den Grund gibt er an: „Denn sie haben die Worte angenommen, die du mir gabst ... und sie sind zu dem Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17,8)
Und damit sind wir bei dem angesprochenen Friedensgebet, das vollständig lautet: „Schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Einheit und Frieden.“
Schaut man auf die Bibelstellen, ist mit „deiner Kirche“ nicht eine bestimmte Konfession gemeint, sondern die Gemeinschaft derer, die „das Wort angenommen“ haben und an Christus glauben. Ihnen hat Jesus Einheit und Frieden verheißen – und zwar nicht, weil sie so tolle Menschen sind („Schau nicht auf unsere Sünden ...), sondern weil sie an ihn glauben. Der Glaube zählt, er ist wichtiger als die Sünden.
Deshalb würde ich zurückfragen: Was meinen Sie mit dem „fragwürdigen Glaubenszeugnis der Kirche“? Der Institution? Des Vatikans? Der Bischöfe? Nein, ich denke, Jesus hat in seinem Gebet weniger Institution und Hierarchie im Sinn als jeden Einzelnen, der an ihn glaubt. Sie und mich. Wer an ihn glaubt, ist „seine Kirche“. Und dass Menschen an ihn glauben, reicht für das Gebet um Einheit und Frieden. Was Sie und mich und die Bischöfe allerdings nicht davon befreit, dem Glauben entsprechend zu leben und glaubwürdig Zeugnis zu geben.
Susanne Haverkamp