Keine Weihnachtsmesse in französischer Kathedrale möglich

Schicksalsjahr für Notre-Dame

Image

Erstmals seit dem Ende der Französischen Revolution kann in der Kathedrale Notre-Dame keine Weihnachtsmesse gefeiert werden.

Foto: kna/CIRIC/Corinne Simon
Schwieriger Aufbau: Die Pariser Kathedrale Notre-Dame wurde im Frühjahr durch ein Feuer stark beschädigt. Foto: kna/CIRIC/Corinne Simon


Erstmals seit dem Ende der Französischen Revolution wird in diesem Jahr in der Pariser Kathedrale Notre-Dame keine Weihnachtsmesse gefeiert. Noch immer ist das Wahrzeichen der Hauptstadt seit dem verheerenden Großbrand im April eine Großbaustelle - und wird es auch noch lange bleiben. Ausweichkirche ist die gotische Pfarrkirche Saint-Germain l'Auxerrois gegenüber dem Louvre.

Laut Medienberichten feiert dort der neue Pariser Weihbischof Philippe Marsset die traditionelle Mitternachtsmesse an Heiligabend. Am Ersten Weihnachtstag zelebriert der Dekan von Notre-Dame, Patrick Chauvet, eine gregorianische Messe.

Seit 1803, also seit 216 Jahren, wurde jedes Jahr die Weihnachtsmesse in Notre-Dame gefeiert, auch während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. 2019 mögen die Pariser wohl traurig sein, dass diese Tradition nun für einige Jahre unterbrochen sein wird. Doch es hätte nicht viel gefehlt, und eine der wichtigsten Kirchen der Welt wäre rettungslos komplett verloren gewesen.

Bei dem Großfeuer an jenem 15. April 2019, der mutmaßlich durch Dacharbeiten ausgelöst wurde, verbrannte der Dachstuhl, die originale Eichenkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert. Teile der Gewölbekuppeln stürzten ein. Der 96 Meter hohe hölzerne Vierungsturm aus dem 19. Jahrhundert brach unter dem Stöhnen der Bevölkerung am Seine-Ufer in sich zusammen.

Temperaturen bis zu 1.000 Grad, Rauch, aber auch Löschwasser fügten dem Mauerwerk schwerste Schäden zu. Dazu kommt eine immense Bleikonzentration in und um die Kirche, Hinterlassenschaft der geschmolzenen Dächer - ein großes Gesundheitsrisiko für Anwohner und Arbeiter am Bau. Selbst die Einsturzgefahr scheint immer noch nicht endgültig gebannt - auch wenn die befürchteten Herbststürme glimpflich vorübergegangen sind.

 

Sicherungsarbeiten dauern an

2020 wird erneut ein Schicksalsjahr für die Kathedrale. Die Sicherungsarbeiten an dem Unesco-Welterbe dauern an. Der eigentliche Wiederaufbau soll erst 2021 beginnen. Die Finanzierung scheint einstweilen auf sichereren Füßen zu stehen als die Gewölbe. 922 Millionen Euro von 320.000 Spendern sind zugesagt. Im September gaben die Unternehmerfamilien Pinault und Arnault 380 Millionen Euro frei.

Schon als die Kathedrale noch in Flammen stand, schwor Staatspräsident Emmanuel Macron die geschockte Nation auf den Wiederaufbau ein - und zwar binnen fünf Jahren und "schöner als je zuvor". Ganz spannungsfrei verläuft das gemeinsame Projekt aller Franzosen seither nicht; denn die Grande Nation denkt traditionell groß - und unterschiedlich. Umstritten sind vor allem Tempo und Stil des Wiederaufbaus. Chefarchitekt Philippe Villeneuve betreibt eine gründliche Bestandsaufnahme und Sicherung und lehnt hektischen Aktionismus ab.

Frankreichs Senat baute in das Wiederaufbaugesetz einen Zusatz ein, demgemäß die Renovierung nach dem "letzten bekannten Zustand" erfolgen solle - also historisch getreu. Auch Chefarchitekt Villeneuve ist für eine originalgetreue Rekonstruktion statt modernistischer Experimente mit Dachgärten oder Glaselementen. Damit holte er sich erst zuletzt wieder eine Zigarre von dem forschen Ex-General Jean-Louis Georgelin, den Macron zu seinem Feldmarschall für den Wiederaufbau ernannt hatte.

Georgelin beschied öffentlich, Villeneuve solle "die Schnauze halten". Die Frage, ob der Dachreiter aus Holz nachgebaut oder in Plexiglas modern entworfen werde, stelle sich erst 2021. Und dann werde man "die beste Wahl für Notre-Dame, für Paris und für die Welt treffen". Für den 16. April 2024, den fünften Jahrestag des Sieges über die Flammen, kündigte Georgelin ein Te Deum in der Kathedrale an. Ob in der fertig restaurierten Kathedrale, musste er offen lassen.

Es war nicht das erste Wortgefecht des einstigen Fünf-Sterne-Generals auf der Baustelle. Zwar loben auch Kirchenverantwortliche wie Kathedralrektor Chauvet Georgelins Bemühungen, die am Wiederaufbau Beteiligten zu konzertieren. Doch offenbar knallt es dabei auch ab und zu. Vor wenigen Tagen jedenfalls bemühte sich der General um Begütigung. Bei einer Filmpremiere lobte er den Chefarchitekten über den grünen Klee. Schließlich ist Weihnachten - wenn auch ohne Messe in Notre-Dame. 

kna