Wie die katholische Kirche mit Austritten umgeht

"Selbst Internetanbieter versenden herzlichere Briefe"

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Viele Menschen fühlen sich nicht mehr wohl in der Kirche und treten aus. Die Bischofskonferenz findet dafür scharfe Worte. Manche Pfarrer versuchen indes, mit den Gläubigen über ihre Beweggründe ins Gespräch zu kommen.


Immer mehr Menschen wenden der katholischen Kirche den Rücken zu. Foto: kna/Harald Oppitz

Wer in Deutschland aus der katholischen Kirche austritt, der bekommt einen Brief von seinem Pfarrer. Zwei Vorlagen der Deutschen Bischofskonferenz enthalten aber nicht nur eine freundliche Einladung zu einem Gespräch, sondern verweisen auch knallhart auf die Konsequenzen: kein Empfang der Kommunion, keine katholische Eheschließung, keine Taufpatenschaft mehr. "Es kann Ihnen das kirchliche Begräbnis verweigert werden, wenn Sie vor dem Tod kein Zeichen der Umkehr und der Reue gezeigt haben", heißt es in einem der Formbriefe.

Bei manchen Empfängern verstärken diese Formulierungen den Unmut über die Kirche. "Selbst Internetanbieter versenden herzlichere Briefe, nachdem man ihnen den Vertrag gekündigt hat", kritisierte kürzlich eine Ausgetretene in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Mancher Seelsorger sieht es ähnlich. "Wenn ich als Ausgetretener so einen Brief bekäme, dann wüsste ich, dass ich alles richtig gemacht habe", sagt etwa der Osnabrücker Pfarrer Alexander Bergel. Der Leiter der Pfarrei Christus König hat einen eigenen Brief formuliert. "Es gibt viele Gründe, der Kirche den Rücken zu kehren", heißt es darin. "Vielleicht mögen Sie mir von Ihren Gründen erzählen." Von einem Verlust von Rechten oder einem Sakramenten-Ausschluss ist keine Rede.

Rechtfertigung der katholischen Kirche hilft nicht weiter

Von 40 Menschen aus Bergels Pfarrei, die im vergangenen Quartal die Kirche verließen, nahmen 5 seine Einladung an. Sie hätten sich telefonisch oder per E-Mail auf einen Austausch eingelassen, berichtet der Pfarrer. "Die meisten sind erst mal erstaunt, dass sich überhaupt einer von der Kirche meldet." Oft würden die erwartbaren Austrittsgründe genannt: sexueller Missbrauch, Umgang der Kirche damit, das Verhalten des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki, Machtstrukturen in der Kirche, Diskriminierung Homosexueller... "Aber manchmal geht es auch um sehr persönliche Erfahrungen, die Menschen in ihrer Gemeinde oder mit Priestern vor Ort gemacht haben."

Seinem Eindruck nach wenden immer mehr Menschen der Kirche den Rücken zu, die sich bislang in ihrer Gemeinde oder in kirchlichen Verbänden engagiert haben. "Viele sagen: Ich gehe nicht, weil ich nicht mehr glaube, sondern weil ich meinen Glauben retten will." Bei den Gesprächen höre er vor allem zu, so Bergel. "Mein Anliegen ist nicht, die Leute zurückzugewinnen. Wenn ich versuche, die Kirche zu rechtfertigen, führt das eigentlich immer in die falsche Richtung."

Ähnlich verhält sich das Infozentrum der katholischen Kirche in Bremen – dem einzigen Bundesland, in dem die Menschen ihren Austritt nicht nur bei staatlichen, sondern auch direkt bei kirchlichen Stellen erklären können. In der Einrichtung "Atrium Kirche" stehen Seelsorger für den Kontakt Gespräch zu Austrittswilligen bereit. "Wir sprechen mit den Menschen, weil sie uns wichtig sind", sagt Leiter Martin Bruns. Jemanden umzustimmen, sei nicht das Ziel.

Bischof Bode bezeichnet Briefvorlagen als "völlig danebengegangen"

Ein Dekret der Bischofskonferenz macht aber andere Vorgaben. Demnach soll das Gespräch auf die "volle Wiedereingliederung in die kirchliche Gemeinschaft" abzielen. Passend heißt es in den Formbriefen: "Es gibt trotz mancher Mängel in der Kirche, die ja immer auch bei uns selbst beginnen, gute Gründe, in der Kirche zu bleiben."

Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Franz-Josef Bode, räumt ein, dass der eigentlich gut gemeinte Versuch, mit den rund zehn Jahre alten Briefvorlagen Rechtssicherheit für die Ausgetretenen zu schaffen, "völlig danebengegangen" sei. Die Pastoralkommission der Konferenz arbeite bereits an einer grundlegenden Neufassung, sagt der Osnabrücker Bischof der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Gespräche mit Ausgetretenen sollten nicht als erstes Ziel haben, diese umzustimmen, meint auch Bode. Vielmehr solle man ihnen signalisieren, dass die Tür der Kirche für sie weiter offen stehe und man ihnen zuhören will. "Wir müssen eine Art Klagemauer sein."

Bode selbst steht am Freitag bei einer Telefonaktion für Gespräche mit Ausgetretenen bereit. "Die Kirche muss etwas tun bei der aktuell hohen Zahl von Austritten und dem Vertrauensverlust", erklärt er seine Motivation.

kna/Michael Althaus