Sie geben der Kirche ihr Gesicht

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Blauer Himmel, strahlender Sonnenschein – und ein kräftiger Wind, den man gut und gerne als Wehen des Geistes deuten konnte. In der Mainzer Innenstadt erlebten Mitglieder der pastoralen Räte ihr Pfingstereignis 2018: Mehr als 600 Menschen feierten den 50. Geburtstag der Räte. Von Maria Weißenberger.

Mit ihren Gesichtern geben sie der Kirche ein Gesicht. Viele Mitglieder der Räte nutzten eine Fotobox auf dem Liebfrauenplatz, um ihre Bereitschaft dazu im Bild festzuhalten. | Foto: Maria Weißenberger
Mit ihren Gesichtern geben sie der Kirche ein Gesicht. Viele Mitglieder der Räte nutzten eine Fotobox auf dem Liebfrauenplatz, um ihre Bereitschaft dazu im Bild festzuhalten. | Foto: Maria Weißenberger

Mehr als ein leiser Windhauch – der Wind bläst kräftig auf dem Liebfrauenplatz. Es ist 10.30 Uhr. Ulrich Janson von der Diözesanstelle Pfarrgemeinde-, Seelsorge- und Dekanatsräte und Martina Reißfelder, Geschäftsführerin der diözesanen Räte, treffen letzte Vorbereitungen. Ein Pavillon muss mit schweren Getränkekisten vorm Abheben bewahrt werden, eine Stellwand wird aus dem Freien ins Haus am Dom transportiert, damit sie nicht etwa jemanden erschlägt. Tische und Bänke fürs Mittagessen stehen schon bereit, Mitarbeiterinnen des Erbacher Hofs richten den Getränkestand her. Bald kommen die Malteser mit großen Suppentöpfen, um den mehr als 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein Mittagessen zu servieren.

Eine Sternwallfahrt von sechs Kirchen aus

In sechs Gruppen haben sie sich von Kirchen in und um Mainz aus auf den Weg zum Dom gemacht. Diese Sternwallfahrt lässt nicht nur an die Aufbruchstimmung vor 50 Jahren denken, als die Katholiken im Bistum ihre ersten Pfarrgemeinderäte wählten, sie zeigt auch, dass die Kirche in Bewegung ist, nicht stehen bleiben darf.

Kurz nach halb zwölf zieht der erste Pulk über den Fußgängerweg an der RedakteurinRheinstraße; nach und nach füllen sich die Bänke und die Suppenschalen, nach und nach treffen die anderen Gruppen ein. Auch Bischof Peter Kohlgraf ist jetzt da, geht von Tisch zu Tisch, plaudert mit den Ankömmlingen. Bis der Gottesdienst Weißenbergerim Dom beginnt, nutzen viele begeistert die Fotobox vorm Haus am Dom, um im Bild festzuhalten: „Wir geben Kirche ein Gesicht.“

50 Jahre pastorale Räte im Bistum – das bedeutet 50 Jahre Verwirklichung des gemeinsamen Priestertums getaufter Christinnen und Christen. Dies machte der Bischof, der auch Dezernent für die Pastoralen Räte im Bistum ist, in seiner Predigt deutlich. Er erinnerte an den Konzilstext „Lumen Gentium“, in dem es heißt, dass Menschen in der Taufe zu einem heiligen Priestertum „geweiht“ werden. „Ja, Taufe ist ,Weihe‘ zu einem priesterlichen Dienst in der Kirche, Sendung in die Welt und zu einem Leben in der Nachfolge Christi, des einen und einzigen Priesters“, sagte Kohlgraf.

Die pastoralen Räte gestalten die Hirtensorge Jesu mit

Für jeden Pfarrgemeinderat gab es als Geschenk eine „Sitzungskerze“. Erinnerung an das Jubiläumsfest, aber auch Auftrag und Ermutigung für die Zukunft. | Foto: Maria Weißenberger
Für jeden Pfarrgemeinderat gab es als Geschenk eine „Sitzungskerze“. Erinnerung an das Jubiläumsfest, aber auch Auftrag und Ermutigung für die Zukunft. Foto: Maria Weißenberger

„Getaufte Menschen sind nicht Empfänger einer Dienstleistung, sondern selbst im Dienst dessen, der sie sendet“, sagte Kohlgraf. Alle Getauften, erklärte er, tragen auf ihre Weise Verantwortung für den Auftrag der Kirche. Heute müsse neu bedacht werden, „dass der priesterliche Dienst eines jeden Getauften kein Notnagel in der schwierigen kirchlichen Situation ist, sondern eine theologische Notwendigkeit aus unserem Selbstverständnis als Kirche in dieser Welt“. Die Menschen in den Gremien müssten stärker als früher lernen, dass es nicht darum gehe, „hinter verschlossenen Türen binnenkirchliche oder gemeindliche Themen zu besprechen und es dabei zu belassen“, sagte er. „Wenn die Räte unseres Bistums wirklich pastorale Räte sind, gestalten sie aktiv die Hirtensorge Jesu mit. Sie nehmen an der Hirtensorge teil.“

In jeder Sitzung an die Sendung durch Jesus erinnern

„Gib der Kirche (d)ein Gesicht“ steht denn auch auf der Kerze, die jeder Pfarrgemeinderat in der Schlussandacht für seine Sitzungen geschenkt bekam. Die Vorderseite zeigt das bekannte Bild „Gesicht Christi – Gesichter der Menschen“ aus einem Jugendprojekt mit Abbè Nicolas Jouy aus Paris.

Bei dem bewusst als geistlichen Tag gestalteten Fest gab es nach dem Gottesdienst spirituelle und kulturelle Angebote. Dazu gehörten unter anderem Führungen im Dom, zu den Chagall-Fenstern in St. Stephan und den Ausgrabungen der evangelischen Johanniskirche sowie eine Orgelmeditation in der Augustinerkirche, ein Konzert der Gruppe „Rückenwind“ der Gemeindereferentinnen und -referenten in St. Ignaz, ein Friedensgebet in der Ruinenkirche St. Christoph und eine Gebetszeit für junge Erwachsene in der Karmeliterkirche.

 

Meinung: Bewusstsein schärfen

Von Maria Weißenberger

Bischof Peter Kohlgraf macht es in seiner Predigt deutlich: Das Volk Gottes ist nicht Empfänger der Pastoral, der „Hirtensorge“ der Kirche, sondern Träger dieser Hirtensorge. Auch wenn dies für alle getauften Christen gilt, so wünsche ich mir gerade von Mitgliedern der Gremien ein starkes Bewusstsein für diesen Auftrag – und wo dieses, vielleicht im „Alltagsgeschäft“ einer Gemeinde, unter die Räder gekommen ist, ist es höchste Zeit, es neu zu schärfen – und es zu verwirklichen. Dies erfordert ein gutes, ein geschwisterliches Miteinander mit den Amtspriestern – die im besten Fall das Ihre dazu beitragen, dass alle ihren je eigenen priesterlichen Dienst leben können. Wo dies nicht „funktioniert“, liegt es wahrlich nicht immer an den geweihten Priestern. Sondern leider oft auch am mangelnden (Selbst-)Bewusstsein derer, die von Jesus allein durch die Taufe gesendet sind.