Weltsynode: Thomas Söding sieht Reformer gestärkt

„Sie hat klare Zeichen gesetzt“

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Mittendrin Papst Weltsynode
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imago/ZUNMA Press

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Mittendrin: Papst Franziskus an einem der runden Tische der Synode.

Vier Wochen lang haben Kirchenleute aus allen Kontinenten bei der Weltsynode im Vatikan diskutiert – und was hat’s gebracht? Thomas Söding, theologischer Berater der Synode, sieht einen Schub für die Reformer. Und er findet es gut, dass die Kirche sich mancher Illusion beraubt hat.

Was ist für Sie das wichtigste Ergebnis der Weltsynode?

Dass Synodalität in der katholischen Kirche angekommen ist. Die Synode hat nicht alle Fragen beantwortet, aber sie hat den Antworten auf die Fragen eine neue Basis gegeben.

Was heißt das konkret?

Das heißt, wir machen in der katholischen Kirche alles zusammen: das Beraten und das Entscheiden. Wir wissen, was ein Bischof ist. Wir wissen, was ein Papst ist. Aber Monarchie ist nicht unser Regierungssystem. Wir brauchen mehr Beteiligung auf allen Ebenen. Die gehen mit dem Kirchenrecht noch nicht hundertprozentig zusammen, aber das kann und muss man ändern. 

Was ist für Sie die wichtigste Erkenntnis der Synode?

Die Synode hat die ganze Welt zusammengebracht. Die Arten, auf die man im Süden, im Norden, im Westen und im Osten katholisch ist, sind sehr unterschiedlich. Aber wir sind alle katholisch. Und wir haben uns gegenseitig versprochen: Wir bleiben in Verbindung, wir machen weiter – und wir nutzen alle Chancen, die es vor Ort gibt.

Was war die größte Enttäuschung?

Ich hatte keine Enttäuschung. Ich hatte eine tiefe Irritation – durch das Verhalten der Studiengruppe, die sich mit der Amtstheologie beschäftigt hat und speziell mit der Rolle von Frauen. Sie hat am Anfang versucht, die Synode nicht ernst zu nehmen, aber das ist nicht gelungen. Zwar gibt es im Moment kein Ja zur sakramentalen Ordination von Frauen, aber kommt Zeit, kommt Rat. Und solange macht man, was geht. 

Thomas Söding
Thomas Söding, theologischer Berater der Weltsynode. Foto: ZdK/Peter Bongard 

Was geht denn – und was fehlt noch? 

In den vergangenen zehn Jahren hat sich einiges getan: Viele Frauen sind in Führungspositionen gekommen. Aber die Möglichkeit des Frauendiakonats ist nicht geklärt. Víctor Manuel Fernández, der Präfekt des Glaubensdikasteriums, hat gesagt: Die Frage ist offen, es braucht weitere Studien. Ich bin der Meinung, dass es genügend Studien gibt und dass man die Frage positiv entscheiden kann. 

Teile der Weltkirche sehen das anders.

Ja. Aber es wäre denkbar, den Diakonat für Frauen auf ähnliche Art einzuführen wie den ständigen Diakonat für Männer – nicht flächendeckend, sondern als Option, auf die nationale Bischofskonferenzen zurückgreifen können.

Die globalen kulturellen Unterschiede sind groß. Kann die Weltkirche das aushalten? 

Die Einheit ist traditionell gebunden an das Glaubensbekenntnis, die Sakramente, die Heilige Schrift, die Tradition. Das bleibt. Die Synode hat gezeigt: Die Kirche will zusammenhalten. Sie ist aber in vielen anderen Fragen so plural wie wahrscheinlich keine andere Glaubensgemeinschaft.

Etwa in Fragen der Sexualmoral.

Leider hat sich seit dem 19. Jahrhundert manches vom Glaubensbekenntnis in Richtung Ethik, speziell Sexualethik, verschoben. Und da werden im Moment die Orientierungsschlachten geschlagen. Sie haben beispielsweise dazu geführt, dass zwar die Opfer von Missbrauch deutlich im Dokument angesprochen werden. Aber das Potenzial der Menschen, die sich der LGBTQ-Bewegung zugehörig fühlen und von denen die Kirche profitieren könnte, wurde nicht beschrieben. 

Hat sich der Aufwand der Weltsynode gelohnt?

Ja. Denn durch die Synode hat sich die katholische Kirche mancher Illusionen beraubt. Sie ist auf dem Weg, sich ehrlich zu machen. Und gerade zum Schluss hat sie die Kurve gekriegt und etwa bei der Frauenfrage vieles genannt, was Menschen wichtig ist – wenn es auch nicht die ganz große Lösung war. Und sie hat klare Zeichen gesetzt, wie mehr Beteiligungsrechte in der Kirche organisiert werden können. Der Papst hat es vorgemacht, indem er auf ein eigenes postsynodales Schreiben verzichtet und sagt: Mein Wort ist das Wort, das die Synode gesprochen hat.

Ist die Synode eine Bestärkung für den synodalen Ausschuss in Deutschland?

Die Synode ist ein Schub für alle, die die Fixierung auf die Hierarchie aufbrechen wollen – ohne das Bischofsamt infrage zu stellen. Für den synodalen Weg in Deutschland ist sie eine Bestätigung, dass die Ideen, die dort entwickelt worden sind, breit in der Kirche verankert sind. Wir können aber auch Impulse aufnehmen, um den synodalen Weg in Deutschland weiter zu stärken.

Welche Impulse sind das?

Zum einen sind Formen von Spiritualität erprobt worden, in der alle zu Wort kommen und nicht nur diejenigen, die besonders gut reden können. Zum anderen kann die Synode uns noch einmal ins Nachdenken bringen zur Frage, ob das gemeinsame Beraten und Entscheiden dynamischer gedacht werden kann als bisher.

Ulrich Waschki

Zur Person:
Der Theologe Thomas Söding ist Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Er war theologischer Berater bei der Weltsynode.