Gabriele Haefs übersetzt Bücher

Sie macht, was Google nicht kann

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Bücher liegen auf einem schwarzen Tuch
Nachweis

Foto: Christof Haverkamp

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Das sind nur einige wenige der Bücher,die Gabriele Haefs übersetzt hat.

Gabriele Haefs hat einen spannenden Beruf: Sie übersetzt Bücher ins Deutsche. Am liebsten Romane, zum Beispiel die des Norwegers Jostein Gaarder. Und auffällig oft solche, in denen Religion, Glaube und Kirche eine Rolle spielen.

Gabriele Haefs liebt Sprachen. Die skandinavischen hat sie studiert. „Eigentlich eher zufällig“, sagt sie. „Als Nebenfach zu Volkskunde und Sprachwissenschaft erschien mir das sinnvoll.“ Sie übersetzt aber auch aus dem Niederländischen und besonders gerne aus dem Irischen. „Ich liebe die keltische Kultur“, sagt sie.

In die Wiege gelegt war ihr das nicht. Geboren 1953 in Wachtendonk, einem kleinen Ort am Niederrhein, und zur Schule gegangen in einem von Nonnen geleiteten Gymnasium in Bonn, hat sie eine klassische katholische Erziehung mitbekommen. „Geschadet hat mir das nicht“, sagt sie und lacht. Kirchliche Feste, Prozessionen, Erstkommunion – all das ist bei ihr mit positiven Erinnerungen besetzt. „Erst im Erwachsenenalter ist mir aufgefallen, dass da manches nicht stimmig ist. Der Umgang mit Frauen zum Beispiel oder mit Sexualität“, sagt Haefs. Vielleicht hat sie sich deshalb seit Studienzeiten in Bonn und Hamburg etwas von der Kirche entfernt.

In Hamburg ist sie hängen geblieben, zusammen mit ihrem Ehemann, dem norwegischen Schriftsteller Ingvar Ambjørnsen. „Hamburg passt. Da kommt man schnell mit dem Flugzeug nach Oslo, es gibt norwegische Zeitungen und überhaupt eine große norwegische Kolonie – inklusive Kirche“, sagt Haefs.

Aber nicht nur wegen ihres Mannes spielt Norwegen für sie eine wichtige Rolle, sondern auch beruflich. So hat sie die Werke des Autors Jostein Gaarder ins Deutsche übersetzt. „Wir haben uns auf einer Buchmesse in Oslo kennengelernt, damals war er in Deutschland noch gar nicht bekannt“, sagt Haefs. Aber er wurde es – vor allem durch „Sofies Welt“, einen Jugendroman über die Geschichte der Philosophie. „Der Hanser-Verlag hat mich 1992 beauftragt, das Buch für sein neues Jugendprogramm zu übersetzen“, sagt sie. „Das war schwierig, weil es sehr schnell gehen musste.“

Denn eigentlich dauert es seine Zeit, ein Buch zu übersetzen, schließlich macht Gabriele Haefs das nicht, wie Google es tun würde, also rein technisch. „Ich beschäftige mich sehr intensiv mit dem Buch, damit ich den Tonfall des Autors oder der Autorin im Ohr habe“, sagt sie. „Erst dann fange ich an zu übersetzen.“ Sie schafft damit in gewisser Weise neue Literatur, denn der Erfolg eines Buches hängt wesentlich auch davon ab, wie die Übertragung in eine andere Sprache gelingt. Haefs gelingt es oft gut – davon zeugen diverse Preise, die sie für ihre Übersetzungen bekommen hat.

"Es gibt so viele Bibelanspielungen in der Literatur"

Es fällt auf, dass viele der Bücher, mit denen sich Gabriele Haefs beruflich beschäftigt und die sie teilweise Verlagen zur Übersetzung empfiehlt, mit Religion und Glaube zu tun haben. Ist das Absicht? „Ach“, sagt Haefs, „ich finde religiöse Stoffe schon interessant. Aber sie begegnen einem auch überall. Wir leben eben in einer christlich geprägten Kultur.“

Ihr Beruf führt dazu, dass sie viel in der Bibel liest. „Es gibt so viele Bibelanspielungen in der Literatur, da muss man nachschauen, wo das herkommt“, sagt Haefs. Und nach einer passenden Übersetzung suchen – die nicht immer die Einheitsübersetzung ist. „Die finde ich doch oft sehr farblos, manches geht da schon verloren“, sagt sie. Sie ist auch nicht dafür, alles in der Bibel zu erklären. „Neulich las ich, dass sich der Satz vom Kamel und dem Nadelöhr auf ein Stadttor von Jerusalem beziehen könnte. Ich finde so etwas überflüssig. Jesus verwendet so ein wunderbares Bild, das muss man nicht erklären.“

Manche Bücher, die sie übersetzt, sagt Haefs, berühren sie. Ein Beispiel ist „Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort“ von Jostein Gaarder. Darin geht es um ein Mädchen, das so schwer krank ist, dass es sein letztes Weihnachten feiert. Immer wieder wird das Kind in seinem Zimmer von einem Engel besucht. „Die Arbeit an der Übersetzung hat dazu geführt, dass ich mich selbst mehr mit Engeln beschäftigt habe“, sagt Haefs. „Früher habe ich mich nie dafür interessiert, aber auf einmal war ich total fasziniert.“ Zumal sie selbst einen Engel zum Namenspatron hat. „Einmal war ich in Wien in einer Kirche, in der ein Bild des Erzengels Gabriel hing. Als ich eine Kerze angezündet habe, ist irgendwas passiert, da fühlte mich für eine Sekunde irgendwie verbunden mit ihm.“

Oder die Sache mit dem Rosenkranz. „Ich habe ein irisches Buch übersetzt, darin kam ein Fingerrosenkranz vor. Ich wusste nicht, was das ist, aber ich habe nachgeforscht – und jetzt besitze ich einen“, sagt sie, kramt in der Tasche und zieht ihn hervor. „Den nehme ich jetzt als Glücksbringer!“

Oder ihr aktuelles Projekt: „Olav Audunssohn“, ein historischer Roman, 1200 Seiten dick, der norwegischen Autorin Sigrid Undset, die 1928 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde – übrigens kurz nachdem sie zum Katholizismus konvertiert war. Das Buch spielt in der Zeit, als Norwegen gerade christianisiert war. Es gehe einerseits um eine Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Menschen, sagt Haefs. Andererseits aber auch um die neue Religion, um die Nächstenliebe, die sie fordert, und die Widersprüche zu alten Traditionen wie der Blutrache. „Man kann das Buch als Abenteuerroman lesen, fast wie Game of Thrones“, sagt sie. „Aber auch als Geschichte, in der es um Glauben geht, um kirchliches Recht und um Gewissenskonflikte.“

Bei ihr selbst, sagt Haefs, würde so langsam wohl die katholische Prägung durchschlagen, denn: „Ich kenne dieses Buch schon lange. Aber heute lese ich es ganz anders als früher.“

Susanne Haverkamp

Zur Person

Gabriele Haefs
Foto: Miguel Ferrez

Gabriele Haefs (71) studierte Volkskunde, Sprachwissenschaft, Keltologie und Nordistik in Bonn und Hamburg. Sie übersetzt Bücher aus den nordischen Sprachen, dem Englischen, Niederländischen und Irischen.