Sie überzeugen durch die Tat

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Mitglieder der Kolpingsfamilie Schwerin
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Andreas Hüser 

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Sie freuen sich auf eine sommerliche Kolping-Geburtstagsfeier: Klaus Schümann, Roswitha Schultz, Monika Gudde, Matthias Bender und Hermann-Josef Schultz. 

Überall, wo etwas in der Gemeinde zu tun ist, Hand anzulegen ist, jemand zu besuchen ist, liturgische Dienste zu leisten sind, da findet man sie. Mitglieder der Kolpingsfamilie Schwerin. Am 9. Juli feiern sie das 150jährige Bestehen

Als Adolph Kolping im Jahr 1849 den Kölner Gesellenverein gründete und 1853 die erste Gesellenherberge eröffnete, gab er den Anstoß für eine große Bewegung. Überall in Deutschland entstanden ähnliche Vereine und Herbergen. Auch in der Diaspora fanden sich Katholiken, die Kolpings Ansatz nicht nur richtig fanden, sondern auch selbst Hand anlegten. 

„Die erste Erwähnung ist eine Bestätigung aus dem Mai 1873, wonach am 6. Januar 1873 der Gesellenverein St. Anna gegründet wurde“, sagt Hermann-Josef Schultz, der heutige Vorsitzende der Kolpingsfamilie Schwerin. „Dieses Datum betrachten wir als unser Gründungsdatum.“ Der 6. Januar gehört schon den drei Königen und den Sternsingern, außerdem ist es dann kalt. Deshalb hat die Schweriner Kolpingsfamilie ihr 150-jähriges Bestehen „in aller Stille“ gefeiert. Die große Feier findet sieben Monate später, am 9. Juli, mit einem Pontifikalamt in der Propsteikirche und anschließendem Empfang draußen statt. 

Über die Anfänge der Kolpingsbewegung in Mecklenburg im 19. Jahrhundert gibt es wenig Zeugnisse. Aber auch in Schwerin entstand ein Gesellenhaus, in dem ledige Handwerker Unterkunft und gute Gesellschaft fanden. „Das Haus war eine Art Heimat. Man hatte da eine Anbindung wie in einer Familie“, sagt Klaus Schümann. „Die Kolpinger haben gesagt: Wir kümmern uns um euch, und wenn ihr nirgendwo unterkommt, nehmen wir euch zuhause auf. Das war ganz wichtig.“ Außerdem war das Haus Begegnungsort für den Verein selbst. Es lag in der Lübecker Straße, ein paar Meter höher als die Innenstadt, und hieß deshalb „auf dem Berg“. „Noch zu DDR-Zeiten gab es Nikolausfeiern und Tanzabende auf dem Berg“, erinnert sich Monika Gudde. „Da feierten wir bei zugezogenen Gardinen. Es musste ja nicht jeder hineinsehen.“ 

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gab es für Jahrzehnte keinen aktiven Kolpingsverein in Schwerin. Erst 1988, am 14. Januar, wurde er wieder gegründet. Damals fanden sich zwölf Männer zusammen, die die alte Tradition fortsetzen wollten. Erster Vorsitzender war Eckhard Rieger. „Der Charakter von einst hatte sich allerdings gewandelt“, sagt Hermann-Josef Schultz, „vom Gesellenverein zur Familie“. Ob auch Frauen Mitglieder sein konnten, war noch zur Zeit der Wiedergründung umstritten. Heute legt der Schweriner Vorsitzende Wert darauf: „Wir sind offen für alle. Die Mitglieder müssen nicht der katholischen Kirche angehören wie früher. Wichtig ist, dass sie unsere Ziele teilen.“ Offen sein, über den Tellerrand schauen: „Deshalb bin ich dabei.“ 

Noch immer sind die Schweriner Kolpinger diejenigen, „die sich kümmern“. „Am Anfang haben wir noch viele handwerkliche Arbeiten gemacht“, erzählt Roswitha Schultz, „das können wir aufgrund unseres Alters nicht mehr.“ Worum sich die Kolpinger heute kümmern? Bei weitem nicht nur um Handwerkliches. 

In die Jahre gekommen, trotzdem überall aktiv

„Es ist ein starker Zug der Kolpingsfamilie, dass sie sich um die kranken und einsamen Menschen kümmern, sich in den Besuchsdiensten engagieren und die Krankenkommunion bringen“, sagt Dr. Matthias Bender, Pastoralreferent und geistlicher Begleiter der Schweriner Kolpingsfamilie. Kolpinger haben den Kirchenkaffee in St. Anna ins Leben gerufen. In jedem Jahr nach der Osternacht laden sie zur Nachfeier ein. Aus ihrem Kreis ist ein großer Teil der Diakonatshelfer hervorgegangen, die in den Außenstationen der Gemeinde Gottesdienste geleitet haben. Sie waren aktiv beim Kirchenstand der Bundesgartenschau, im ökumenischen Hospizdienst, in der Unterstützung von Migranten, dazu kommen die Brillen- und Handyaktionen, die Tansania-Pattnernerschaft des Diözesanverbands. 

Es gab große Ereignisse wie ein Benefizkonzert für Flüchtlinge, eine politische Podiumsdiskussion in St. Andreas. 

Jeden letzten Donnerstag im Monat treffen sich die 30 Mitglieder der Kolpingsfamilie zu einem Gottesdienst, Vortrag und anschließendem Beisammensein. Und wie steht es mit dem Nachwuchs? Junge Mitglieder anzuwerben, ist nicht einfach, sagt Hermann-Josef Schultz. Schließlich sei die Familie insgesamt „in die Jahre gekommen“, ebenso wie die Kolpingsfamilien überall. „Wir können nur mit Taten überzeugen. Wenn sich jemand ansprechen lässt, dann nicht die jungen Berufsanfänger – eher sind es Leute, die auf den Ruhestand zugehen.“ 

Gefeiert wird mit Jung und Alt, mit der Gemeinde und den befreundeten Kolpingern aus der Region am Sonntag, 9. Juli, um 10 Uhr in der Propsteikirche St. Anna. Zelebrant ist Weihbischof Horst Eberlein. Er ist selbst ein Mitglied der Schweriner Kolpingsfamilie. 

Andreas Hüser