Orthodoxe Kirche bittet um Ende des Bruderkrieges

Signal an Putin?

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Überraschend deutlich äußert sich die russlandfreundliche Ukrainische Orthodoxe Kirche und bittet Putin um einen sofortigen Stopp des Bruderkrieges.

Foto: kna/Romano Siciliani/Cristian Gennari
Weltweit beten orthodoxe Christen, wie hier eine Gemeinde in Rom, für Frieden in der Ukraine. Foto: kna/Romano Siciliani/Cristian Gennari


Die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) des Moskauer Patriarchats hat mit unerwartet deutlichen Worten von Kreml-Chef Wladimir Putin einen sofortigen Stopp des "Bruderkriegs" gefordert. In einer am Montag veröffentlichten Erklärung bekräftigte die Kirchenleitung, der Heilige Synod, die "staatliche Souveränität und territoriale Integrität" der Ukraine und appellierte an den Moskauer Patriarchen Kyrill I., von der Staatsführung die unverzügliche Einstellung der Feindseligkeiten einzufordern. Kyrill hat bisher zwar mit allgemeinen Worten das "Unglück" in der Ukraine bedauert, aber nicht die Worte "Angriff" oder "Krieg" gebraucht.

"Mit Trauer und Schmerz erleben wir den Krieg, der in unser ukrainisches Heimatland gekommen ist", heißt es dagegen in der Erklärung der russlandfreundlichen UOK. Die Kämpfe dauerten fast überall in der Ukraine an, "Krieger und Zivilisten sterben", die Zahl der Geflüchteten steige. "Die generelle Alarmbereitschaft für Atomwaffen stellt die zukünftige Existenz der Menschheit und der Welt insgesamt in Frage", mahnt die Kirchenleitung mit Blick auf eine Ankündigung Putins.

Inständig appelliert sie an den Moskauer Patriarchen: "Wir bitten Sie, unsere Gebete für das leidgeprüfte ukrainische Volk zu verstärken, Ihr hochpriesterliches Wort zu sprechen, damit das brudermörderische Blutvergießen auf ukrainischem Boden aufhört, und die Führung der Russischen Föderation aufzufordern, die Feindseligkeiten, die sich bereits zu einem Weltkrieg auszuweiten drohen, unverzüglich einzustellen."

 

Angst vor ewig bestehender Kluft zwischen den Völkern

Ebenso wendet sich die Kirchenleitung an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Kreml-Chef Putin: "Im Namen der Millionengemeinde der Ukrainischen Orthodoxen Kirche bitten wir Sie, alles zu tun, um der Sünde der bewaffneten Konfrontation zwischen unseren beiden brüderlichen Völkern ein Ende zu setzen und den Verhandlungsprozess einzuleiten", so der Appell. "Wenn das Blutvergießen unvermindert anhält, könnte die Kluft zwischen unseren Völkern für immer bestehen bleiben."

Weiter versichert die UOK die Menschen in der Ukraine ihrer Unterstützung. Ihre Kirchen und Klöster leisteten Hilfe für Flüchtlinge und andere Notleidende des Krieges und öffneten ihre Türen rund um die Uhr für Schutzsuchende. Sie äußert die Hoffnung, "dass die Vernunft siegt und dieser Krieg bald beendet wird". Die Menschen sollten einander helfen und sich nicht zu Feindseligkeiten provozieren lassen. "Wir beten, dass der Herr die Regierenden mit dem Licht seiner Gnade erleuchtet." Dann werde in naher Zukunft "in unserem gesegneten ukrainischen Land wieder der Frieden Gottes herrschen!", schließen die Kirchenführer.

Rund 60 Prozent der mehr als 41 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der zum Moskauer Patriarchat gehörenden, "autonomen" UOK unter Leitung von Metropolit Onufri und der Ende 2018 gegründeten eigenständigen "Orthodoxen Kirche der Ukraine" (OKU) unter Führung ihres Metropoliten Epiphanius, die zum Patriarchat Konstantinopel gehört und vom Moskauer Patriarchat nicht anerkannt wird. In der aktuellen Kriegssituation haben sich beide Kirchen "patriotisch" im Sinne der Ukraine geäußert. Dennoch bewerten Beobachter den deutlichen Appell der traditionell russlandfreundlichen UOK an Putin und Kyrill I. als überraschendes Signal. 

kna