Advent in der Corona-Pandemie

So still wie nie

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Oft ist der Advent eine hektische Zeit, vollgestopft mit Feiern, Weihnachtsmarkt, Geschenkestress. In diesem Jahr sind wir durch Corona zur Besinnlichkeit gezwungen. Das ist ungewohnt. Es kann aber auch eine Chance sein.

Jemand zündet die Kerzen am Adventskranz an.
Ein Zeichen der Hoffnung, der Wärme, der Geborgenheit: das Licht im Advent, zurzeit besonders wertvoll

Von Andreas Lesch 

Schon auffällig, diese Lücken im Kalender. Besonders jetzt, im Advent. Dabei war er in den vergangenen Jahren doch immer so vollgestopft. Kaum ein Tag, an dem nicht irgendwas war. Der Kegelclub traf sich auf dem Weihnachtsmarkt, der Kirchenchor plante ein gemütliches Beisammensein, die Kollegen von der Arbeit wollten schön essen gehen. Geschenke für die Kinder mussten auch noch her. Und bloß das Keksebacken nicht vergessen! Ach, war eigentlich das Haus schon geputzt? Und war geklärt, wer an Weihnachten wann wen besucht, damit am Ende niemand beleidigt ist?

Der Advent in der Zeit vor Corona war selten besinnlich. Manchmal nervte er gar – mit all dem Gedränge in Kaufhäusern, dem Gejohle an Glühweinbuden und der ewigen Frage im Hinterkopf, ob man bei der Vorbereitung auf Weihnachten nicht doch was vergessen hat. 

Jetzt, da die Pandemie alle Verpflichtungen platzen lässt, merken wir plötzlich, was uns fehlt. Jetzt ist der Advent wirklich mal so still wie sonst nur in der Theorie. Komisches Gefühl, nicht wahr? Aber vielleicht tut uns gerade diese Leere mal ganz gut. Weil der Weg Richtung Weihnachten auf seinen Kern reduziert ist. Und weil wir mehr Zeit als je zuvor haben, uns zu fragen: Was heißt das eigentlich – sich als Christ vorzubereiten auf dieses Fest der Erlösung? Was könnten wir in dieser Zeit tun, für andere, für uns, für unseren Glauben? 

Ein Anfang könnte sein, so simpel das klingt: in der Bibel lesen. Jeden Tag, ganz bewusst. Nachdenken über das, was darin steht. Und mit anderen darüber sprechen – ob in einer Internet-Videokonferenz mit dem Bibelkreis oder am Telefon mit der besten Freundin. Wir können auch schauen, welche Angebote unsere Gemeinde macht: Vielleicht gibt es kurze Andachten auf dem Kirchplatz. Vielleicht bieten Seelsorger Gespräche für Einsame und Besorgte an. Vielleicht lässt sich im Pfarrbüro ein persönliches Adventspaket bestellen, mit einer Kerze und einem Impuls für jeden Tag. Und wer weiß, vielleicht bringt sogar jemand das Friedenslicht aus Betlehem in der Nähe vorbei?

Sehnt sich der Nachbar nach einem Plausch?

Unsere Kirchen, nicht zu vergessen, stehen uns offen. Wer will, kann gerade jetzt hineingehen, eine Kerze entzünden, ein Gebet sprechen. Oder einfach nur dasitzen, bei sich sein, die Stille genießen. Und nachdenken über das, was wichtig ist im Leben.

Natürlich kann die Leere dieses Advents auch belasten. Weil wir nicht nur auf Weihnachten warten, sondern auch auf den Corona-Impfstoff, die Rückkehr von Nähe und Normalität, das Ende der Pandemie. Die Vorfreude auf das Fest droht von Furcht überlagert zu werden: vor Einsamkeit, Jobverlust, Krankheit und Tod. Da kann es helfen, auf andere zu schauen – und noch mehr als sonst zu überlegen, wie wir ihnen helfen können. Sehnt sich der Nachbar nach einem Plausch mit Abstand an der Haustür? Braucht der Enkel einen aufmunternden Anruf vor der gefürchteten Physikarbeit? Wäre es denkbar, in diesem Jahr noch etwas mehr für das Hilfswerk meines Vertrauens zu spenden? Wir können uns wirklich Zeit nehmen für Fragen wie diese. Denn sicher ist: Wir verpassen nichts.