Sankt Hedwigs-Kathedrale soll Top-Attraktion in der deutschen Hauptstadt werden

Spektakulär still

Sankt Hedwigs-Kathedrale

Foto: Roland Halbe

Mit der komplett neu gestalteten Sankt Hedwigs-Kathedrale ist Berlin schon bald um eine Attraktion reicher.

Berlin ist laut, bunt, überdreht. Und in dieser Stadt soll eine Kirche eine Attraktion werden? Berlins Erzbischof Heiner Koch glaubt, dass das mit der umgebauten Sankt Hedwigs-Kathedrale gelingen kann – gerade weil sie so anders ist als ihre Umgebung.

So fröhlich, so entspannt, ja begeistert hat man einen hochrangigen katholischen Geistlichen in Deutschland zuletzt selten gesehen. Wenn Berlins Erzbischof Heiner Koch über die umgebaute Sankt Hedwigs-Kathedrale spricht, die am 24. November mit einem Festakt wiedereröffnet werden soll, strahlt er. Und sagt: „Das wird sicher ein Kernstück meiner hiesigen Amtszeit.“ Die lange Schließung der Kirche für den Umbau habe ihm wehgetan: „Es war für mich zuletzt schwer zu ertragen, dass wir ausgerechnet in Berlins Mitte, an diesem pulsierenden Ort, über eine so lange Zeit nicht in eine katholische Kirche einladen konnten.“ Doch nun hat das Erzbistum Großes vor mit seinem 1747 nach dem Vorbild des Pantheons in Rom errichteten Gotteshaus. 

Heiner Koch
Erzbischof Heiner Koch. Foto: Walter Wetzler

Sankt Hedwig soll mehr werden als eine würdige Zentralkirche des flächenmäßig drittgrößten deutschen Bistums, das sich über vier Bundesländer erstreckt. Gottesdienste von bundesweiter Bedeutung, wie zuletzt die Trauerfeier für Altkanzler Helmut Kohl im Jahr 2017, können hier bald wieder stattfinden. Auch möchte die Kirche in dem immer säkularer werdenden Berlin nach Worten Kochs „über die Kathedrale Menschen ohne christliche Prägung ansprechen“. Am besten soll Sankt Hedwig sogar aufschließen zu den großen touristischen Highlights der Hauptstadt mit ihren jährlich rund zwölf Millionen Gästen.

„Ich bin fest überzeugt, dass es eine große Neugierde auf die Kathedrale geben wird“, sagt Koch. „Viele Menschen werden beeindruckt sein von der klaren Botschaft und Sprache dieser hellen, einladenden und kommunikativen Kirche.“ Die Kathedrale strahle nach dem Umbau „eine Klarheit und Ruhe in der Architektur aus“, wie man sie sonst selten finde. Der Raum mit seinem nunmehr zentralen Altar in der Kirchenmitte und der exakt darüberliegenden Himmelsöffnung in der Kuppel „hat Maß und Mitte“, sagt der Erzbischof. „Damit kann die Kirche den Menschen etwas anbieten, was vielen heute fehlt.“

„Auch Nichtchristen sollen sich hier zu Hause fühlen können“

Um die Attraktivität von Sankt Hedwig, der einzigen bischöflichen Rundkirche landesweit, auch abseits ihrer besonderen Architektur zu steigern, soll die Kathedrale künftig in das Lichtkunstspektakel „Festival Of Lights“ eingebunden werden, das jährlich rund drei Millionen Menschen anlockt. Auch „andere kulturelle Angebote, die eine göttliche Dimension aufleuchten lassen“, sind laut Koch geplant – etwa Konzerte, Ausstellungen oder Lesungen: „Wir sind nun einmal eine Schriftreligion. Ich erhoffe mir, dass wir in der Kathedrale eine Kultur des Wortes und der Musik etablieren können.“Darüber hinaus ist eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Kirche bei Nacht“ geplant. Koch sagt, sie solle den besonderen Charakter der Nacht „mit ihrer Konzentration auf das Wesentliche“ unterstreichen, sodass man hier, in Berlins oft überdrehter Stadtmitte, „Architektur, Kunst und Stille auf sich wirken lassen kann“. Vor allem aber soll Sankt Hedwig mit seinem neuen, zum Bebelplatz sowie zum Prachtboulevard Unter den Linden hin offenen Eingangsbereich „die Menschen einladen“, erklärt der Erzbischof. „Auch Nichtchristen sollen sich hier zu Hause fühlen können.“

Visualisierung Sankt Hedwig
Visualisierung der Kathedrale. © Nightnurse Images, Zürich

Bei Visit Berlin, der Marketingagentur der Hauptstadt, ist man angetan von den Plänen des Bistums. „Mit der architektonischen Öffnung des Eingangsbereichs und neuen Veranstaltungen für ein Publikum, das nicht kirchengebunden ist, werden sich sicher neue Zielgruppen erschließen lassen“, sagt Sprecher Christian Tänzler. Sogar die Idee, die Kathedrale zu einer Top-Attraktion Berlins zu machen, findet er nicht abwegig: „Allerdings nicht für sich allein genommen. Das muss man im Gesamtbild sehen“ – etwa in Verbindung mit den anderen touristischen Highlights in unmittelbarer Umgebung, also mit dem Pergamonmuseum und dem Deutschen Historischen Museum, der Staatsoper, dem Berliner Dom, dem Humboldt Forum sowie dem House of One, dem gemeinsamen Gebetshaus für Christen, Juden und Muslime, das ganz in der Nähe entsteht. „Aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen kann man viel herausholen“, glaubt Tänzler. 

Der Gedanke der Gemeinschaft aller Gläubigen wird sehr gut sichtbar

Auch wenn die Kathedrale vor ihrer Schließung jährlich gerade mal 200 000 Besucher hatte, könne sie künftig viel zur „neuen kulturellen Bedeutung von Berlins historischer Mitte beitragen“, so Tänzler. Zur Sagrada Familia in Barcelona mit drei oder dem Kölner Dom mit sogar sechs Millionen Gästen pro Jahr aber wird die Sankt Hedwigs-Kathedrale wohl nie aufschließen können. Die beiden Kirchen gehören zum Unesco-Weltkulturerbe. „Das kann man einfach nicht in eine Liga packen“, sagt Tänzler. Dafür habe Sankt Hedwig andere Qualitäten.

Einen Vorgeschmack auf den neuen Charakter seiner Bischofskirche hat Koch bei der Altarweihe im November 2023 erhalten. Als er mit der Kuppelöffnung über sich plötzlich in der Raummitte stand, habe er „die durch den Umbau gewonnene Einheit der Architektur wirklich gespürt“, erzählt er. Ein ganz neues Erlebnis des Miteinanders sei das gewesen. Mit dem Altar in der Raummitte werde der Gedanke der Communio, der Gemeinschaft aller Gläubigen untereinander und mit Gott, sehr gut sichtbar. Diese neue Nahbarkeit der Kirche will das Bistum künftig auch den weltlichen Besuchern der Kathedrale ermöglichen. Neben Kirchenführern, die kunsthistorische Anfragen beantworten können, soll es in Sankt Hedwig bald auch „Ansprechpartner für Ratsuchende“ geben, sagt der Erzbischof.

Andreas Kaiser

Zur Person: 
Heiner Koch (70), geboren in Düsseldorf, war Weihbischof in Köln und Bischof von Dresden-Meißen. Seit Juni 2015 ist er Erzbischof von Berlin.