Impuls zum Sonntagsevangelium am 17.03.2024

Sterben, aber schön!

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Mann im Hospiz füttert einen Hund
Nachweis

Foto: imago/usa today network/Mike Cardew

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 Ein Mann in einem Hospiz teilt die Wurst von seinem Frühstücksbrot mit seinem Hund. Das Leben ist genießbar – bis zuletzt.

Jesus spürt im Sonntagsevangelium, wie der Tod sich nähert, unweigerlich und bald. Auch heute kennen Menschen dieses Gefühl. Wie gehen sie damit um? Zwei Seelsorger erzählen.

Jesus weiß, dass sein Leben bald zu Ende geht. Das Weizenkorn muss sterben. „Jetzt ist meine Seele erschüttert“, sagt er, als er merkt, dass die Todesstunde naht. Seinen Jüngern kommt diese Situation merkwürdig vor, sie scheinen nicht allzu viel davon zu verstehen, was vor sich geht: Jesu Worte – ein Rätsel. Die Stimme Gottes – ein Donner? 

„Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen.“ So steht es im heutigen Evangelium. Jesus hört es, seine Begleiter hören es offenbar nicht. Wie ist es bei Gläubigen heute? Hören sie diese Stimme? Hilft der Glaube im Sterben?

Ja, der Glaube macht tatsächlich den entscheidenden Unterschied in der Todesstunde, darin sind sie sich einig: Dieter Broekmann vom ambulanten Hospizdienst „Hospizbewegung Münster“, der sich in der westfälischen Großstadt um die Bedürfnisse Sterbender kümmert, und Kapuzinerbruder Engelbert Bacher aus dem österreichischen Feldkirch, der seit 23 Jahren als Krankenhausseelsorger arbeitet.

Dieter Broekmann
Dieter Broekmann ist Sterbebegleiter in Münster. Foto: Hospizbewegung Münster / Marion Grube

"Wenn der Glaube im Leben eine wichtige Rolle hatte, kann er am Ende hilfreich sein. Aber manche Menschen sind auch verbittert mit dem Glauben und sahen ihn nicht als Stütze“, sagt Dieter Broekmann. Wenn Bruder Engelbert in Feldkirch an einem Sterbebett sitzt, stellen die meisten Menschen einen Zusammenhang mit ihrem Glauben her. „Beten Sie mit mir, dass ich wenig leiden muss“, werde häufig gewünscht, erzählt der Kapuziner.Besonders in den letzten Stunden sei das Gespräch über den Glauben für die meisten wichtig, sagt Bruder Engelbert. Und stellt fest: „Es gibt große Unterschiede, wie Sterbende mit mir über Glauben und Religion sprechen. Sind die Angehörigen dabei, sprechen sie nicht gerne darüber; sind keine Angehörigen dabei, finden solche Gespräche ausführlich statt.“ Manchmal habe er den Eindruck, dass sich ältere Menschen wegen ihres Glaubens vor den Angehörigen rechtfertigen müssen, „weil jüngere Generationen häufig ein anderes Verständnis von Glauben haben“.

Jesus redet mehr oder weniger offen davon, dass er bald sterben wird. Die heutigen Seelsorger erleben das unterschiedlich. „Es gibt Menschen, die offen über ihre Situation sprechen, aber genauso viele, die kein einziges direktes Wort über die Endlichkeit aussprechen“, sagt Broekmann. „Viele Menschen fühlen sich einfach aufgehoben und gestützt, wenn jemand zuhört und nicht kommentiert.“ 

Jesus war noch nicht in dem Alter, in dem man sterben muss. Gehen junge Leute anders als alte auf den Tod zu? Generell können beide Sterbebegleiter nicht bestätigen, dass junge Menschen anders aus dem Leben gehen als betagte. „Aus meiner Sicht ist das Alter nicht entscheidend“, sagt Broekmann und erinnert sich an ein vierjähriges Kind, das zur Mutter gesagt hat: „Du musst nicht traurig sein, mir geht es gut.“ Andererseits habe er auch über Neunzigjährige erlebt, die empört gewesen seien, dass ihr Leben zu Ende geht.

Engelbert Bacher
Bruder Engelbert Bacher ist Kapuziner in Feldkirch. Foto: Kapuziner/Tobias Rauser

Bruder Engelbert hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Als ich noch auf der Aids-Station arbeitete und diese Krankheit noch einem Todesurteil gleichkam, sprachen die jungen Menschen, die zwischen 19 und 30 Jahren alt waren, häufig über Suizidgedanken“, sagt er. Andere seien bewusst auf den Tod zugegangen, „bis hin zur Gestaltung der eigenen Begräbnisfeier“, erinnert er sich. „Das gibt es bei älteren Sterbenden übrigens nur vereinzelt, dass sie über die Trauerfeier sprechen.“

Jesus spricht im heutigen Evangelium über sehr grundsätzliche Dinge, seine Jünger treiben eher Alltagsfragen um. Was ist typischer kurz vor dem Tod? Da fällt Engelbert Bacher sofort ein Aids-Patient ein, der in seinen letzten Atemzügen noch einen Wunsch auf Schokoriegel mit Vanilleeis äußerte. Und mit einem Hobbygärtner hat er mal über das Beschneiden von Bäumen gesprochen. „Das war ihm in seinen letzten Momenten einfach wichtig. Diese Themen bringen Lockerheit in die letzten Gedanken“, sagt der erfahrene Seelsorger, der auch Krankenpfleger ist. 

Er segnet Kopf, Hände, Füße und Herz

Die Situationen und Gedanken hingegen, in denen Sterbende besonders ernst werden, betreffen häufig die eigenen Angehörigen. „Wenn Menschen von ihrer letzten Zeit verbittert sprechen, dann sind das meist Gedanken über das Alleinsein, das Alleingelassenwerden von der Familie“, sagt Bruder Engelbert. Ebenso gebe es aber auch Versöhnungen am Sterbebett, etwa, wenn die Sterbenden ihre Kinder jahrelang nicht gesehen hatten. „Sie sehen sich, sie berühren sich, das ist dann wunderschön.“

Laden Sterbende ihre Angehörigen auch ausdrücklich zu Abschiedsreden ein oder zu Ansprachen, so wie es Jesus im heutigen Evangelium tut? Das kenne er tatsächlich aus den stationären Hospizen, sagt Broekmann. Beim Sterben zu Hause, das er in seinem ambulanten Hospizdienst begleitet, fügt er an, finde so etwas eher nicht statt. 

Engelbert Bacher hingegen lädt in Feldkirch ausdrücklich zu solchen Zeremonien ein. Der Seelsorger unterstützt Sterbende, letzte Momente gemeinsam mit den Angehörigen zu verbringen. „Da wird viel Versöhnliches gesprochen, viel über Vergebung dessen, was zwischen ihnen vorgefallen ist“, sagt er.

Zu den versöhnlichen letzten Momenten zählen auch die Sterberituale, die Bacher auf Wunsch vornimmt. Die Kinder werden am Bett empfangen und eingeladen, sich anzufassen. Der Seelsorger hat dann stets ein Kerzenlicht dabei, Weihwasser, und man spricht gemeinsam Gebete, erzählt er über die etwa halbstündige Zeremonie. Bruder Engelbert segnet Kopf, Hände, Füße, Herz; auch die Angehörigen dürfen diese Körperteile des Kranken berühren. „Das ist wie eine Liturgie“, sagt der Kapuziner.

Michael Maldacker