Papstreise in den Irak

Symbole der Versöhnung

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Als erstes katholisches Kirchenoberhaupt ist Papst Franziskus in den Irak gereist. In dem gespaltenen und von Krieg erschütterten Land traf er sich mit Politikern und Religionsvertretern – und warb für Geschwisterlichkeit. 

ymbol der Versöhnung an einem Ort des Terrors: Im zerstörten  Mosul ließ Papst  Franziskus eine Friedenstaube steigen. Der Islamische Staat hatte die Stadt jahrelang besetzt.
Symbol der Versöhnung an einem Ort des Terrors: Im zerstörten  Mosul ließ Papst Franziskus eine Friedenstaube steigen. Der Islamische Staat hatte die Stadt jahrelang besetzt.

Papst Franziskus hat den von vielfachen Spaltungen geprägten Irak ermutigt, zu neuem nationalen Zusammenhalt in Vielfalt zu finden. Auf diese Weise, so sein wiederkehrender Appell, könne das von Krieg und Terror gepeinigte Land zu einem Beispiel im Nahen Osten werden.

Die von starken Sicherheitsvorkehrungen begleitete Reise fand in einer sensiblen politischen Umbruchsituation statt. Es war der erste Besuch eines römischen Kirchenoberhaupts in dem Land, dessen uralte Christengemeinde seit Jahren durch Abwanderung schrumpft. Für einige Kritik sorgte die Entscheidung, die Fahrt trotz steigender Corona-Infektionszahlen anzutreten.

Den politischen und gesellschaftlichen Repräsentanten in Bagdad präsentierte sich Franziskus als „Büßer, der den Himmel und die Brüder um Vergebung bittet für so viel Zerstörung und Grausamkeit“. Er komme „als Pilger des Friedens, im Namen Christi, des Friedensfürsten“, sagte er zum Auftakt im Präsidentenpalast. Faktisch stellte er sich hinter Forderungen der Bürger nach einem grundlegenden Kurswechsel. In den vergangenen Monaten gab es Proteste gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und Einmischung fremder Mächte. Im Oktober sollen Neuwahlen stattfinden, um die angeschlagene Übergangsregierung abzulösen.

Historisches Treffen mit Großajatollah Al-Sistani

Franziskus machte die „Geschwisterlichkeit aller Menschen“, für die er mit seiner im Herbst veröffentlichten Enzyklika „Fratelli tutti“ warb, zum Leitthema seiner Begegnungen im Irak. Die Gastgeber von Staatsseite nahmen den Impuls dankbar auf.

Der Papst beschrieb wiederholt den Vorrang des Ich vor dem Wir als Grundübel. „Genug mit Gewalt, Extremismus, Parteiungen und Intoleranz“, mahnte er. Den Beweis, dass Vielfalt bereichert, sollen laut ihm gerade die Christen antreten – auch wenn ihre Gemeinde „so klein wie ein Senfkorn“ sei. „Gott will gerade durch unsere Schwäche große Wunder wirken“, sagte er der chaldäischen Gemeinde in Bagdad.

Historischen Rang hatte die Begegnung mit Großajatollah Ali al-Sistani, dem angesehensten Geistlichen der schiitischen Bevölkerungsmehrheit im Irak. Der 90-Jährige, der sonst öffentlich kaum in Erscheinung tritt, empfing den Papst in seiner bescheidenen Residenz in Nadschaf. Bis zuletzt war über eine gemeinsame Botschaft spekuliert worden; sie blieb aus. Getrennte Verlautbarungen aus Nadschaf und dem Vatikan zu dem 50-minütigen Austausch der beiden Oberhäupter ließen gegenseitige Wertschätzung und gemeinsame Arbeitsfelder erkennen.

Das Treffen war der Versuch eines Brückenschlags zwischen der katholischen Kirche und der weltweit zweitgrößten Strömung des Islam. Der irakische Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi rief die künftigen Jahrestage der Begegnung am 6. März als nationalen „Tag der Toleranz und des Zusammenlebens“ aus.

Große symbolische Wirkung hatte auch ein interreligiöses Treffen in Ur, der Heimat des biblischen Stammvaters Abraham. Bei den 4000 Jahre alten Ruinen in der Wüste des Südirak beschwor Franziskus Vertreter aller Glaubensgemeinschaften im Irak, jeglichem Hass entgegenzutreten. „Gott ist barmherzig, und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst.“ Einen Wermutstropfen gab es: Ausgerechnet Juden, die sich auf Abraham als Ahnen beziehen, fehlten. Die jüdische Gemeinde im Irak zählt nur wenige Personen. Eine Einladung habe offenbar nicht wahrgenommen werden können, hieß es.

Er würdigte die Opfer des Islamischen Staats 

Abschließend begab sich Franziskus in die nördlichen Landesteile, die unter dem Terror des Islamistischen Staats  zwischen 2014 und 2017 bitter gelitten hatten – allen voran die von ihm immer wieder erwähnten Jesiden und Christen. Inmitten der Trümmer, die das mörderische Kalifat in Mossul zurückließ, rief er bei einem Gebet für die Toten des Krieges dort ebenfalls zu Geschwisterlichkeit auf.

Die schwindende Katholikenschar in der einst christlich geprägten Ninive-Ebene und in Erbil, dem Zufluchtsort für viele vom Islamischen Staat Vertriebene, konnte eine zweifache Botschaft hören: Würdigung ihrer Opfer, aber auch die Mahnung, dass gerade sie in Sachen Geschwisterlichkeit mit gutem Beispiel vorangehen sollten.
Keine bisherige Reise von Franziskus fand unter so hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Für eine mehrtägige Ausgangssperre gab die Regierung die Corona-Pandemie als Grund an. Schwer bewaffnetes Militär sicherte die Fahrtstrecken, die der Papst nicht im bevorzugten Kleinwagen, sondern in gepanzerten Limousinen zurücklegte. Seine Leibwächter trugen Schutzwesten.

Ernsthafte Zwischenfälle, die die gewünschte internationale Aufmerksamkeit hätten trüben können, gab es nicht. Die Abschiedsworte des Kirchenoberhaupts bei einer Messe mit Tausenden Gläubigen im Stadion von Erbil – sie klangen aufrichtig: „Der Irak wird immer bei mir bleiben, in meinem Herzen.“

kna/Burkhard Jürgens