Die Kirche streitet um Begriffe und Verfahrensweisen
Synodaler Weg? Nationalsynode? Konzil?
Die Kirche streitet um Begriffe für den deutschen Reformprozess, denn letztlich entscheidet der Papst, ob es synodale Versammlungen gibt und ob die Ergebnisse angenommen werden. In der Geschichte gab es verschiedene Fälle von nationalen Synoden - mit unterschiedlichem Ausgang.
Schon als die deutschen Bischöfe das Kind aus der Taufe hoben, fiel der seltsame Name auf. Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Lingen hatten sie beschlossen, einen "verbindlichen synodalen Weg" auszurufen. Kleriker und Laien sollten auf diesem Weg die heißen Eisen diskutieren, um die seit langem innerkirchliche Debatten kreisen. Da "synodaler Weg" nicht anderes bedeutet als "Weg eines gemeinsamen Weges", mutmaßten einige Journalisten damals, es handle sich um einen Etikettenschwindel, der Ratlosigkeit überspielen sollte.
Doch die Bischöfe hatten wirklich einen Plan. Seit dem Missbrauchsskandal forderten immer mehr Oberhirten, endlich alles offen zu diskutieren: den Zölibat, das Verbot der Frauenweihe, die Machtverteilung in der Kirche und die Sexualmoral. Über all das sollten Bischöfe und Laien "synodal" debattieren und "verbindlich" beschließen. Doch was bedeutet das? Und: Ist das überhaupt erlaubt?
In der Kirchengeschichte haben sich klare Formate herausgebildet, wie man gemeinschaftlich über Fragen der Glaubenslehre, der Kirchendisziplin und der Riten berät und entscheidet. Je nach Ebene unterscheidet man zwischen Diözesansynoden (regional), Partikularkonzil (überregional oder national) und Welt-Bischofssynode (global) sowie Ökumenischem Konzil (ebenfalls global).
Die Besonderheit katholischer Synoden und Konzile resultiert aus der einzigartigen Struktur der vom Papst geleiteten Kirche. Ihr zentralistischer, hierarchischer Aufbau hat sich nach teils chaotischen Erfahrungen herausgebildet. In der Kirchengeschichte gab es etliche Versuche, auf regionaler oder nationaler Ebene Beschlüsse zu fassen, die eigentlich nur ganz oben hätten gefasst werden dürfen. Schon seit Jahrhunderten müssen deshalb synodale Versammlungen vorab vom Papst genehmigt werden, ihm ist auch die Anerkennung der Ergebnisse vorbehalten.
Der historisch gewachsene Auftrag, über die Einheit der Kirche zu wachen, gehört zur DNA der römischen Kurie. Im jüngsten Brief der Bischofskongregation an die deutschen Bischöfe lautet denn auch eine der Warnungen, dass diese ihre Kompetenzen überschreiten würden, wenn sie zu grundsätzlichen Fragen (wie etwa zur Frauenweihe) Entscheidungen träfen.
In den Archiven muss man nicht tief graben, um Präzedenzfälle zu finden. Der jüngste Versuch einer kühnen nationalen Kompetenzanmaßung liegt knapp 50 Jahre zurück. Es war das Niederländische Pastoralkonzil (1966-1970). Unter dem Eindruck der Modernisierungsanstöße des weltweiten Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) beschloss dort eine Mehrheit von Laien unter anderem die Freigabe des Zölibats und die schrittweise Zulassung von Frauen in Weiheämter.
Rom ignorierte die Beschlüsse. Doch 1980 ließ der Papst eine kirchenrechtlich regelkonforme Synode der niederländischen Bischöfe in Rom tagen. Diese Synode ignorierte das Pastoralkonzil und fasste Beschlüsse, die mit Kirchenrecht, Dogmatik und Morallehre vereinbar waren. Das Pastoralkonzil wurde damit rückwirkend zu einem bloßen Palaver herabgestuft.
Auch in der Bundesrepublik Deutschland gab es damals einen Reformversuch: die "Gemeinsame Synode" in Würzburg (1971-1975). Doch diesmal wurden Statuten und Beschlüsse vom Vatikan anerkannt, denn man hielt sich im Rahmen des Erlaubten. In der Frage der Diakoninnenweihe begnügte man sich mit der Forderung, dies "zu prüfen und womöglich Frauen zur Diakonenweihe zuzulassen".
Anders als in Würzburg scheinen sich die Deutschen jetzt am holländischen Vorbild zu orientieren. Der Kirchengeschichtler Jan Jacobs bringt diese Haltung auf den Punkt. Es sei den Niederländern damals um "einen freien Austausch über die Herausforderungen der gesellschaftlichen Situation" gegangen. Um diesen Kommunikationsprozess zu ermöglichen, habe man sich bei der formalen und rechtlichen Gestaltung des Pastoralkonzils von den im Kirchenrecht vorgesehenen Modellen zugunsten einer rein beratenden Versammlung gelöst.
Ähnliches war auch bei der Ausrufung des synodalen Wegs im März zu beobachten: Da die deutschen Bischöfe wussten, dass es fast unmöglich wäre, in Rom die Genehmigung für ein Partikularkonzil auf nationaler Ebene zu bekommen, bei dem weltweit strittige Fragen debattiert werden, entschieden sie sich für einen anderen Namen, den es im Kirchenrecht nicht gibt. Herausgekommen ist ein Mischwesen: Kleriker und Laien sollen zwar nach Art einer Synode beraten und entscheiden, die Beschlüsse sollen aber keine rechtliche, sondern eine bloß moralische Verbindlichkeit haben. Deshalb, so die Befürworter, müsse Rom weder die Satzung vorab noch am Ende die Ergebnisse genehmigen.
Ob Papst Franziskus, der synodale Beratungen erklärtermaßen schätzt und kirchenrechtliche Fragen meist zweitrangig behandelt, dieses Spezialformat zulässt, ist offen. In seinem "Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" schrieb er sibyllinisch: "Eure Bischöfe haben einen synodalen Weg vorgeschlagen. Was dieser konkret bedeutet und wie er sich entwickelt, wird sicherlich noch tiefer in Betracht gezogen werden müssen."
kna