Traditionskliniken abgegeben
Enttäuscht sind die Mitarbeiter des Katholischen Klinikums Mainz über die Entscheidung der Caritas im Bistum: Sie verkauft ihre Anteile an Marienhaus. Auch das Heilig-Geist-Hospital Bingen geht an den Mehrheitseigner. Von Anja Weiffen.
Viele waren in einer Schockstarre, sagt Karin Weingärtner. Sie ist Vorsitzende der Mitarbeitervertretung (MAV) im Katholischen Klinikum Mainz (kkm) und berichtet von der Stimmung in der Belegschaft nach der Nachricht vergangene Woche: Der Diözesancaritasverband will seine Anteile von 49 Prozent an der Krankenhaus-Trägergesellschaft Caritas-Werk St. Martin GmbH (CWSM) an den Mehrheitseigner, die Marienhaus Unternehmensgruppe, verkaufen. Marienhaus (siehe „Stichwort“) hält bislang 51 Prozent der Anteile. Zum CWSM gehört auch das Heilig-Geist-Hospital Bingen (hgh).
Die gültige Übertragung der Gesellschaftsanteile zum Anfang des Jahres 2021 stehe noch unter dem Vorbehalt behördlicher Genehmigungen, wie der Diözesancaritasverband mitteilt. Jedoch würden sie nach Einschätzung beider Vertragsparteien bald vorliegen. „Die Beschäftigungsverhältnisse der Mitarbeitenden in den Krankenhäusern sind von der Übertragung nicht berührt“, heißt es in der Pressemitteilung.
Dennoch: „Enttäuscht sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kkm“, weiß Karin Weingärtner. Nach der Ankündigung des Bistums, fünf Schulen und drei Bildungshäuser abzugeben, „hatten wir in der letzten Zeit befürchtet, ebenfalls von den Sparmaßnahmen betroffen zu sein“, erläutert die MAV-Vorsitzende die Situation am kkm. „Als Haus mit Tradition und als Haus, das Kardinal Karl Lehmann am Herzen lag, hatten wir gehofft, dass es uns nicht trifft.“ Die medizinisch-technische Radiologie-Assistentin arbeitet seit 20 Jahren in der MAV und ist seit 16 Jahren Vorsitzende. Unsensibel findet sie den Zeitpunkt der Ankündigung: „Ausgerechnet jetzt in der Corona-Pandemie und kurz vor Weihnachten.“ Die Beschäftigten identifizierten sich mit dem kkm, weiß sie. Zwar sei angekündigt, dass durch diese Entscheidung der Caritas die Beschäftigungsverhältnisse nicht betroffen sind, doch „die Mitarbeiter sind skeptisch“, so Weingärtner. Die Veränderungen am kkm während der vergangenen Monate im Rahmen der Sparmaßnahmen hätten das Vertrauen der Belegschaft schwinden lassen. Weitere Strukturveränderungen auf längere Sicht würden befürchtet.
„Der Restrukturierungsprozess 2019/2020 der Marienhaus Unternehmensgruppe ist erfolgreich abgeschlossen“, sagt auf Nachfrage Heribert Frieling, Leiter der Unternehmenskommunikation der Marienhaus Holding GmbH, die für die Integration und Steuerung der Unternehmensgruppe verantwortlich ist. Dass die Entscheidung des Diözesancaritasverbands die Mitarbeiter schmerzen würde, sei verständlich. „Schlimm wäre es, wenn es andersherum wäre.“ Er sehe jedoch keinen Grund für die Mitarbeiter, sich große Sorgen zu machen. „Befürchtungen sind nicht angebracht.“ Er weist darauf hin, dass die beiden betroffenen Krankenhäuser in katholischer Hand bleiben.
Die Marienhaus Unternehmensgruppe wird nach der Abgabe der Minderheitsanteile des Diözesancaritasverbands alleinige Gesellschafterin des CWSM. Zu dieser gemeinnützigen Trägergesellschaft gehört auch zu 94 Prozent das Heilig-Geist-Hospital in Bingen sowie die hgh Service GmbH. Sechs Prozent der Anteile in Bingen werden von der dortigen Förderstiftung Heilig-Geist-Hospital gehalten. Die MAV-Vorsitzende im Binger Heilig-Geist-Hospital, Gerry Schmidt, sagt zur Entscheidung: „Es ist schade, dass sich der Caritasverband der Diözese Mainz komplett zurückzieht. Aus meiner Sicht war es trotz Minderheitsbeteiligung ein wichtiges Gegengewicht zur Marienhaus Unternehmensgruppe.“
„Viel Potenzial für eine zukunfsweisende Entwicklung“
Von Seiten der Caritas heißt es: „Es fällt uns nicht leicht, diesen Schritt zu gehen“, sagte Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick, „sind wir doch dem Katholischen Klinikum Mainz und dem Heilig-Geist-Hospital Bingen in langer Tradition verbunden.“ Da der Verband aber seit 2014 in der Position eines Minderheitsgesellschafters sei, „ist dieser Schritt folgerichtig. Wir sind überzeugt, dass dies für die Zukunft der beiden Krankenhäuser die richtige Entscheidung ist“. Die Bündelung von Verantwortung in einer Hand bedeute eine Stärkung.
Nach den Worten des Vorstandsvorsitzenden der Marienhaus Stiftung, Dr. Heinz-Jürgen Scheid, bieten das kkm und das hgh „sehr gute Ausgangsvoraussetzungen und viel Potenzial für eine zukunftsweisende Entwicklung als Schwerpunktversorger beziehungsweise als Grund- und Regelversorger an ihrem jeweiligen Standort“.
Stichwort: Marienhaus
Die Marienhaus Unternehmensgruppe gehörte bis vor neun Jahren dem Orden der Waldbreitbacher Franziskanerinnen. 2011 wurden die Einrichtungen der Gruppe in die Marienhaus Stiftung überführt.
Die Marienhaus Stiftung ist einer der größten christlichen Träger von sozialen Einrichtungen in Deutschland, unter anderem mit 14 Krankenhäusern und 20 Alten- und Pflegeheimen. Die Einrichtungen liegen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, insgesamt arbeiten in der Trägerschaft etwa 13 800 Frauen und Männer. (www.marienhaus.de)
Zur Sache: „Situation grundlegend gewandelt“
Weihbischof Udo Markus Bentz ist Vorsitzender des Aufsichtsrats des Caritasverbands für die Diözese Mainz. Er äußert sich zum Verkauf der kkm- und hgh-Anteile:
„Die Kirche hat schon früh zur Entwicklung von Krankenhäusern beigetragen. Ich erinnere daran, dass vor allem im 19. Jahrhundert in Deutschland viele kirchliche Krankenhäuser entstanden – insbesondere im Zusammenhang mit der Gründung zahlreicher sozial und karitativ ausgerichteter Frauenorden. Es war die ganzheitliche Sorge um Leib und Seele der Menschen, die die Kirche zu diesem Engagement bewegte. Doch in den vergangenen 150 Jahren hat sich die Situation der Krankenhäuser grundlegend gewandelt. Diesen Wandel sind wir auch im Bistum Mainz mitgegangen.
Der nun gegangene Schritt fällt dem Diözesancaritasverband Mainz und auch dem Bistum nicht leicht, da uns mit den Häusern in Mainz und Bingen eine lange Geschichte verbindet. Er ist aber der folgerichtige Abschluss eines langen Prozesses: Bereits seit Jahren ist der Diözesancaritasverband nur in der Position eines Minderheitsgesellschafters des Caritas-Werks St. Martin, dem Träger der beiden Krankenhäuser. Die Häuser in Mainz und Bingen werden weiterhin in katholischer Trägerschaft bleiben. Das Bistum Mainz wird sich wie bisher auf ein hochwertiges Seelsorge-Angebot konzentrieren und an den Häusern präsent bleiben. Alle Patientinnen und Patienten, die Unterstützung und Begleitung durch Seelsorgerinnen und Seelsorger des Bistums Mainz suchen, werden diese weiterhin unverändert bekommen.“