Humanitäre Helfer warnen vor
Tragödie in Indien
Keine Betten, keine Medizin, kein Sauerstoff: Die zweite Corona-Welle in Indien spitzt sich zu einer humanitären Katastrophe zu. Inzwischen seien auch Mitarbeiter von Partnerorganisationen gestorben, teilen die Hilfswerke missio und Misereor mit.
Das Hilfswerk missio Aachen zeigt sich in großer Sorge um Helfer in Indien. Unter den Opfern der zweiten Corona-Welle seien viele Ehrenamtliche, Priester oder Ordensleute, sagte missio-Präsident Dirk Bingener. Die Kirche in dem Land, dessen Gesundheitsversorgung vor dem Kollaps steht, habe während der Corona-Pandemie vielen Menschen geholfen. Nun schreibe ein Projektpartner aus dem Bundesstaat Jharkand: „Wir leben alle in Angst und Schrecken.“
Bingener begrüßte die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung. „Indien braucht jede internationale Unterstützung und vor allem Impfstoffe, um diese schreckliche zweite Corona-Welle zu stoppen.“ Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy veröffentlichte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ einen emotionalen Hilfsappell. Den Krematorien in Delhi sei das Brennholz ausgegangen, schreibt sie, Parks und Parkplätze würden derzeit zu Verbrennungsstätten umfunktioniert. „Es ist, als hinge ein unsichtbares Ufo am Himmel, das uns die Luft aus den Lungen saugt.“
Dramatisch sei die Lage auch auf dem Land. In zahlreichen Dörfern stürben die Menschen „an leicht behandelbaren Krankheiten wie Durchfall und Tuberkulose“, schreibt Roy: „Wie sollen sie mit Covid zurechtkommen?“
Angesichts der massiv gestiegenen Zahl an Corona-Fällen warnt auch das Hilfswerk Misereor vor einer „landesweiten Tragödie“. Die Partnerorganisationen hätten sich mit dramatischen Appellen an das Hilfswerk gewandt, teilte Misereor mit. Sie berichteten, dass Menschen zu Tausenden sterben, oft ohne medizinische Hilfe. Besonders verzweifelt sei die Lage in Mega-Citys wie Delhi oder Mumbai.
Viele sind schutzlos ausgeliefert
Auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Partnerorganisationen seien infiziert oder gestorben, so dass die Hilfe immer schwieriger werde. „Das ist eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes“, erklärte die Misereor-Abteilungsleiterin für Asien und Ozeanien, Elisabeth Bially. Gerade die Bevölkerung in den engen Armenvierteln der Städte, das Gesundheitspersonal oder die vielen Leichenbestatter sind der Pandemie oft hilf- und schutzlos ausgeliefert. „Zudem leiden sie Hunger und müssen weiterarbeiten, um zu überleben“, sagte Bially.
Die zweite Corona-Welle hat das Gesundheitssystem Medienberichten zufolge lahmgelegt. Im ganzen Land fehlen Sauerstoff und Medikamente. Mitte Mai könnten nach Angaben von Hilfswerken bis zu 600 000 Neuinfektionen täglich drohen.
kna