Erstkommunion 1945
„Trotz allem glücklich“
Der 8. April 1945 war für Maria Hollemann in Algermissen ein ganz besonderer Tag. Sie ging zur Erstkommunion – und die amerikanischen Panzer rollten an.
Es war ein sonniger Frühlingstag, der 8. April 1945, der Weiße Sonntag, der Tag der Erstkommunion. Auch Maria Hollemann, damals hieß sie noch Voges, gehörte zur Schar der 50 Kommunionkinder. „Es war eine sehr schöne Feier, auch nach dem Gottesdienst bei uns zu Haus mit Verwandten aus dem Dorf und auch von weiterher“, erinnert sich die 83-Jährige. Vor ihr liegt ein altes Gesangbuch, das „Katholische Gesangbuch aus dem Altstift Hildesheim“. „Das habe ich damals geschenkt bekommen. Und ich kann mich auch noch an die Lieder erinnern, die wir gesungen haben.“ Leise stimmt sie an „Ich will dich lieben, meine Stärke.“
Doch dieser Kommuniontag war anders. Den ganzen Tag fuhr ein Flakzug auf der Strecke Hildesheim-Sehnde. Immer wieder, so erinnern sich alte Dorfbewohner, wurde er von Tieffliegern angegriffen, einzelne Bomben fielen.
„Ich habe diese Bedrohung damals nicht so sehr gespürt, es war alles einfach nur spannend und für mich stand das Fest im Vordergrund“, sagt Maria Hollemann.
Trotzdem herrschte eine gewisse Unruhe. „Nach dem Mittag eilten die Gäste aus dem Dorf nach Haus, schauten nach dem Rechten. Aber zum Kaffee kamen alle wieder“, weiß das Kommunionkind von damals noch genau.
Schon morgens hatte der Bürgermeister Franz Taubeler unter Einsatz seines Lebens verhindert, dass die Hottelner Brücke über den Stichkanal gesprengt wurde.
Und nachmittags in den Dankgottesdienst kam ein Mann in die Kirche gerannt, der rief: „Die Amerikaner stehen am Kanal!“
Schnell wurde der Gottesdienst zu Ende gefeiert. Löfflers Luichen hisste am Kirchturm ein weißes Bettlaken und ebenso taten es viele Dorfbewohner auf ihren Dächern und an den Fenstern.
Aufgrund der angespannten Situation durfte Maria in ihrem Kommunionkleid schlafen gehen. „Das fand ich damals richtig toll und ich war total glücklich.“ Doch nachts wurde sie von ihrem Vater aus dem Bett gerissen, denn in die Nachbarscheune war eine Bombe eingeschlagen. „Wir haben dann die Nacht bei Weiterers nebenan im Keller verbracht. Ich habe auf einem Sack auf den Kartoffeln geschlafen. Und am anderen Morgen um 9 Uhr sind wir wieder zur Kirche gegangen zur Dankmesse.“
Anschließend sind Maria und ihre Freundinnen losgezogen, haben bei einer Freundin gefrühstückt, später bei Christa in einer Parallelstraße zu Marias Elternhaus Mittag gegessen. „Kaffee und Abendbrot fanden dann nicht mehr statt. Und ich kam fast nicht mehr nach Haus.“
Es war Montag, der 9. April. Ab 11 Uhr, so erinnert sich Marias älterer Bruder Adolf Voges noch sehr gut, rollten die amerikanischen Panzer in endlosen Reihen von der Hottelner Brücke kommend durch die Neue Straße Richtung Peine.
„Es war das erste Mal, dass ich schwarzhäutige Menschen gesehen habe. Die amerikanischen Soldaten waren nett, haben gelacht und uns Schokolade zugeworfen“, erzählt Maria Hollemann. „Damals hat mir jemand gesagt: Diesen Tag wirst du nie im Leben vergessen. Das stimmt, aber nicht weil die Amerikaner kamen, sondern weil ich eine erlebnisreiche und tief beeindruckende Erstkommunionfeier hatte“, betont sie.
Wenn auch Sie eine Geschichte zur Erstkommunion 1945 haben, rufen Sie an unter 0 51 21 / 3 07-8 64 oder schreiben Sie eine Mail an: aktion@kiz-online.de
Edmund Deppe