Flüchtlingskrise in Lateinamerika droht 2019 schlimmer zu werden

UN erwartet Massenexodus aus Venezuela

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Es soll noch schlimmer werden: Die Vereinten Nationen erwarten, dass sich die Flüchtlingskrise in Lateinamerika 2019 zuspitzt.

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Täglich verlassen Menschen Venezuela: Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass sich die Lage 2019 noch weiter verschlechtert. Foto: kna


Sie stehen an Straßenkreuzungen und putzen Windschutzscheiben; andere verkaufen für ein paar Pesos Bonbons. Bogotas Straßenbild ist geprägt von vielen tausend venezolanischen Flüchtlingen, die in Kolumbiens Hauptstadt gekommen sind. Kein anderes südamerikanisches Land wird so von der Wucht des Massenexodus aus Venezuela getroffen wie Kolumbien.

Von den drei Millionen Venezolanern, die laut Schätzungen der Vereinten Nationen ihr Heimatland bereits verlassen haben, ist der größte Teil hier im Nachbarland gelandet, vor allem in den Grenzstädten Cucuta und Bucaramanga. Zuletzt bekam die Grenzdiözese Cucuta einen Preis für ihr Engagement für die Flüchtlinge. Hunderttausende Mittagessen wurden gekocht; ehrenamtliche Helfer arbeiten bis zur Erschöpfung, um den Menschen aus dem Nachbarland wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag zu ermöglichen.

Wochenlang bestimmte der Flüchtlingstreck aus Honduras international die Lateinamerika-Berichterstattung. Mehrere tausend Migranten aus Mittelamerika, überwiegend aus Honduras, hatten sich auf den Weg in Richtung USA gemacht. Sie verdrängten das noch viel größere menschliche Drama, dass sich derzeit in Südamerika abspielt, aus den Schlagzeilen. Und es soll alles noch viel schlimmer werden: Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass bis Ende 2019 die Zahl der Menschen, die Venezuela den Rücken kehren, auf 5,3 Millionen steigt.

Eduardo Stein, Sondergesandter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) für Venezuela, spricht von einem "humanitären Erdbeben". Die Probleme für die Aufnahmeländer sind erheblich. Die UN kalkulieren einen Finanzbedarf von fast 700 Millionen Euro, damit die 16 Aufnahmeländer in der Region die humanitären Aufgaben stemmen können.

 

UN-Migrationspakt sorgt auch in Lateinamerika für Diskussionen

Trotz der großen Herausforderungen unterschrieb Kolumbiens konservative Regierung um den neuen Präsidenten Ivan Duque den UN-Migrationspakt. Der sorgt auch in Lateinamerika für Diskussionen. Chile und die Dominikanische Republik, zwei Länder, die bei Migranten aus Südamerika beziehungsweise Haiti besonders beliebt sind, fürchten um ihre nationale Souveränität.

Ein Ende der politischen und wirtschaftlichen Krise in Venezuela ist unterdessen nicht in Sicht. Fast alle prominenten Oppositionspolitiker sind in Haft, Hausarrest, Exil oder mit Berufsverbot belegt. Der Massenexodus begann, als der sozialistische Präsident Nicolas Maduro 2014 erst Proteste blutig niederschlug und dann das freigewählte Parlament entmachtete. Ende 2015 errang die rechtsgerichtete Opposition bei den Parlamentswahlen einen klaren Sieg; doch Maduro ignorierte den Wählerwillen und installierte stattdessen eine Verfassungsgebende Versammlung, die alle Kompetenzen an sich zog.

Bei den Regional- und Kommunalwahlen gab es nach offiziellen Angaben klare Siege für die regierenden Sozialisten. Aber auch hier wurden weite Teile der Opposition ausgeschlossen - oder diese entschied sich für einen Boykott. Bei den Kommunalwahlen gingen nicht mal mehr 30 Prozent der Venezolaner zur Wahl; stattdessen stimmen sie mit den Füßen ab. Am 10. Januar wird Maduro für eine weitere Amtszeit vereidigt - allen Protesten um die Rechtmäßigkeit seiner Wahl zum Trotz. 

kna