Deutscher Bischof über Corona in Brasilien
"Uns fehlt der Sauerstoff"
Die Corona-Lage am unteren Amazonas ist sehr kritisch. Das berichtet der aus Deutschland stammende Bischof Bernhard Johannes Bahlmann im Interview. Vielen Krankenhäusern fehle Sauerstoff zur Behandlung der Patienten.
Herr Bischof, wie ist die aktuelle Corona-Lage in Ihrer Diözese Obidos?
Die Lage hier am unteren Amazonas ist sehr kritisch. Was auch daran liegt, dass wir nahe an Manaus sind, wo die Pandemie stark ausgebrochen ist. Wir haben hier ähnliche Zustände wie dort. Im Bezirk Faro hatten wir am letzten Wochenende viele Patienten, die nicht behandelt werden konnten, weil Ärzte und Sauerstoff fehlten. Eine ganze Familie mit sieben Personen ist aufgrund Sauerstoffmangels gestorben. Hier in Obidos hatten wir am Freitag drei Tote, in Juruti, wo wir ein Krankenhaus betreiben, sind gleichzeitig vier Personen gestorben. Und die Neuinfektionen steigen stark an.
Tun die Behörden genug?
Sie setzen sich sehr ein, sind aber überfordert. Zum einen weil Anfang Januar die neuen Bürgermeister ins Amt kamen, die nicht die entsprechenden Kenntnisse haben. Und sie entlassen auch viele der Mitarbeiter ihrer Vorgänger. Da spielen oft Eitelkeiten und Parteiinteressen mit, man denkt schon an die nächsten Wahlen. Deshalb wird die Krise nicht entsprechend angegangen, wie es eigentlich sein müsste.
Haben die Krankenhäuser genug Betten, Medikamente und Sauerstoff?
In den kirchlichen wie in den öffentlichen Krankenhäusern sind alle Betten belegt. Es kommt zudem zu Engpässen bei Medikamenten und beim Sauerstoff. Am letzten Wochenende mussten wir kämpfen, um genug Sauerstoff für unsere Krankenhäuser in Juruti und in Obidos zu bekommen. Gott sei Dank hat es geklappt. Aber wir befürchten, dass es zu einem Kollaps des gesamten Gesundheitssystems hier in der Region kommt. Denn besonders bei der Versorgung mit Sauerstoff kommen die Produzenten nicht mehr hinterher.
Halten sich die Menschen an Beschränkungen und Corona-Regeln?
Der größte Teil der Bevölkerung hält sich daran. Aber es gibt immer noch einen Teil, der das Virus unterschätzt. Die tragen weder Masken noch waschen sich die Hände. Die Auswirkungen sehen wir dann in den Krankenhäusern, die schon an ihren Grenzen sind. Zudem kursieren viele Theorien über das Virus, was uns derzeit ja überhaupt nicht weiterbringt. Da mangelt es an Bewusstseinsbildung über die Gefahren, auch von Seiten der Regierenden und den Behörden. Die müssten klar sagen, wie sich die Bevölkerung zu verhalten hat.
Wird denn bereits geimpft?
Es geht langsam los. In der vergangenen Woche wurden alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens geimpft, also die, die an vorderster Front stehen. Aber es gibt keine Pläne, wie die Impfungen nun weitergehen sollen, ob zum Beispiel die indigenen Völker geimpft werden sollen. Und es gibt Probleme mit der Transparenz, also wer schon geimpft wurde. Es passiert, dass Impfstoffe nicht wie vorgesehen an die entsprechende Zielgruppe abgegeben werden, sondern an Leute, die den Regierenden nahestehen. Es gibt auch Gerüchte über die Gefährlichkeit des Impfstoffes, viele unbewiesene Theorien. Das verunsichert die Bevölkerung sehr.
Was können Sie tun?
Die Verantwortung liegt stets bei der Stadtverwaltung, sie muss das in den Griff bekommen. Die Kirche oder die Nichtregierungsorganisationen können nur einen Beitrag leisten und die Verantwortlichen unterstützen. Hier in Obidos haben wir ein Corona-Krisenkomitee, aber meist geht es sehr langsam voran, oft gibt es keine Strategie der Verwaltung, um der Situation Herr zu werden. Ich bin schon optimistisch, dass wir durch diese Pandemie kommen. Aber wir müssen sehr daran arbeiten. Wir selber arbeiten jedenfalls auf Hochdruck, sowohl in den Krankenhäusern wie auf den kirchlichen Krankenhausschiffen.
Die "Papa Francisco" und "Papa Joao Paulo II" sind unermüdlich im Einsatz, und zwar gerade dort, wo es sehr brenzlig ist. Wir schicken unser Ärzteteam los, um den Menschen vor Ort zu helfen. Sie waren jetzt auf Bitten der Landesregierung von Para zwei Wochen lang in Faro im Einsatz, wo das Gesundheitssystem zusammengebrochen ist. Gott sei Dank konnten viele durch diesen Einsatz gerettet und manche Patienten ins zwei Stunden entfernte Krankenhaus von Juruti verlegt werden. Die nächsten zwei Wochen werden die Schiffe dann hier am unteren Amazonas eingesetzt sein.
Das erste Krankenhausschiff, die "Papst Franziskus", ist seit 2019 im Einsatz. Die Pläne gehen aber weiter?
Die "Papst Johannes Paul II" wird langsam nach und nach umgebaut, ist aber schon im Einsatz und führt die Expeditionen gemeinsam mit der "Papst Franziskus" durch. Denn wir haben gemerkt, dass es uns auf der «Papst Franziskus» an Platz fehlt, sowohl für Sprechzimmer und für Behandlungsräume, aber auch an Schlafräumen für das Ärzteteam. Das dritte Krankenhausschiff, die "Papst Johannes 23", ist für die Region Manaus vorgesehen. Ab August soll es dort im Dienst sein. Diese Schiffe werden durch die Arbeitsgerichte finanziert, die Strafgelder an soziale Projekte weiterleiten. Das ist eine sehr große Hilfe für uns.
Interview: Thomas Milz (kna)