Treffen der G7-Entwicklungsminister in Berlin
Unser Bild von Afrika muss sich verändern
Bei einem Treffen in Berlin haben die Entwicklungsminister der G-7 Staaten eine neue Allianz für globale Ernährungssicherheit ins Leben gerufen. Über die Bedeutung dieses Bündnisses.
Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt die Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), Anna-Katharina Hornidge, welche Möglichkeiten aus diesem neuen Bündnis entstehen, wie sich die Entwicklungspolitik langfristig aufstellen muss – und warum wir dringend unser Bild von Afrika verändern müssen.
Frau Professorin Hornidge, ab heute nimmt die Allianz für globale Ernährungssicherheit offiziell ihren Dienst auf. Die Initiative war eines der großen Ziele der deutschen G7-Präsidentschaft in diesem Jahr. Was verspricht man sich davon?
Hornidge: Der Ukrainekrieg hat uns die Dringlichkeit vor Augen geführt, dass es eine vereinte politische Stellungnahme braucht, um auf eine solche Versorgungskrise zu reagieren. Es geht etwa darum, dass auch in Krisengebieten die Vermarktungskanäle für Lebensmittel weiter funktionieren. Das heißt, dass Häfen wieder geöffnet werden, dass Agrarprodukte, wie etwa das Getreide aus der Ukraine und aus Russland, von Sanktionen ausgeschlossen werden. Das war bislang keine Selbstverständlichkeit und dafür braucht es die Einigkeit dieser Allianz.
Also ein reines Reaktionsbündnis?
Hornidge: Nein, nicht nur. Neben den humanitären Aspekten der Hungerkrise müssen wir mittelfristig auch gemeinschaftlich darauf hinarbeiten, Lagerungssysteme für Nahrungsmittel zu verbessern sowie die massiven Agrarspekulationen zu beenden, die großen Anteil an der weltweiten Versorgungskrise haben. Mit Blick auf Afrika sollen zudem gezielt regionale Agrarmärkte gefördert werden. Und letztendlich wird es auch darum gehen, dass wir langfristig Veränderungen in unserer eigenen Ernährung anstoßen: mehr pflanzliche und weniger tierische Produkte, mehr Investitionen in kleine nachhaltige Fischerei- und Landwirtschaftsbetriebe.
Afrika haben Sie bereits angesprochen. Der Kontinent steht bei den aktuellen Diskussionen im Fokus, da sich die Ernährungskrise hier besonders gravierend auswirken könnte. Wie sehen Sie die aktuelle Situation?
Hornidge: Wir schauen mit großer Sorge auf die Zahlen des UN-Welternährungsprogramms, zum einen in Bezug auf die steigenden Armutsraten und die Ernährungssituation, aber auch die Preisentwicklung. Diese ist bei Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Mais dramatisch angestiegen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl derer, die ohnehin schon an Unterernährung leiden, drastisch zunimmt, vor allem, wenn ab voraussichtlich Juni die Kornspeicher leer sind.
Wie sollte die Entwicklungspolitik auf diese und andere Phänomene reagieren?
Hornidge: Aktuell müssen Ernährungssicherheit und Armutsbekämpfung im Vordergrund stehen. Langfristig liegt der Fokus der deutschen Entwicklungspolitik aber auf "Just Transition"-Ansätzen, also darauf, einen gerechten Übergang zu einer sozial- und klimagerechten Politik vor Ort zu schaffen. Es geht darum, die Gesellschaften zu stärken, sie widerstandsfähiger für den Umgang mit Krisen zu machen.
Klima- und sozialverträgliche Politik zu gestalten, schaffen wir ja in Europa kaum. Wie soll es dann in Afrika gelingen?
Hornidge: Indem wir unsere Fehler nicht wiederholen. In Afrika nimmt die Verstädterung zu, ebenso wie der Energiebedarf. Wir unterstützen die Staaten darin, dass sie eigene CO2-neutrale Energie erzeugen, zum anderen ihre Städte nachhaltig und klimastabilisierend planen, etwa durch Grünflächen und ein gutes öffentliches Transportnetz. Weitere Schwerpunkte sind der Ausbau von Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystemen, um gerade in Afrika auch junge Generationen zu fördern. Und ebenso braucht es eine feministische Entwicklungspolitik: Gesellschaften, in denen die Geschlechter auf Entscheidungsebenen gleichberechtigt sind, sind starke, krisentaugliche Gesellschaften.
Strukturelle Machtgefälle müssen beendet werden
Besteht hier nicht die Gefahr eines Gefälles, wenn Europa versucht, seine Vorstellung den afrikanischen Staaten aufzudrücken?
Hornidge: Kooperation muss gleichberechtigt gestaltet werden, sonst ist es keine Kooperation. Das ist nicht neu und das ist auch der Eigenanspruch der deutschen Entwicklungspolitik. Sicherlich existieren weiterhin strukturelle Machtgefälle aufgrund ökonomischer Unterschiede, aber auch in den politischen Möglichkeiten, international einzugreifen und Entscheidungen voranzutreiben. Umso wichtiger ist es, dass wir miteinander reden und Politik im Dialog gestalten. Deshalb begrüße ich es auch sehr, dass der aktuelle Vorsitzende der Afrikanischen Union, Senegals Präsident Macky Sall, zum G7-Treffen nach Schloss Elmau eingeladen worden ist.
Dennoch hört man von manch afrikanischem Offiziellen, dass er sich mehr Handel und weniger Hilfe wünschen würde.
Hornidge: Natürlich müssen wir in der Entwicklungszusammenarbeit darauf achten, nicht einen rein karitativen Ansatz zu verfolgen. So funktioniert Partnerschaft nicht. Ebenso fatal ist eine angstbedingte Haltung, in dem Sinne, dass wir nur zur Stabilisierung des Kontinents beitragen wollen, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Und zuletzt dürfen wir nicht der Überzeugung verfallen, dass das Mobilisieren von Finanzen bedeute, Zukunftsentscheidungen der Partnerländer bestimmen zu können. Das wäre eine vermessene Annahme. Es gibt also tatsächlich einige Fallstricke. Der Fokus muss aber auf einem gemeinsamen Strukturwandel liegen - in Europa wie in Afrika.
Gerade in Bezug auf afrikanische Länder dominiert im öffentlichen Diskurs ja aber immer noch das Negativbild von unlösbaren Krisen, Konflikten und Armut, letztlich einem gescheiterten Kontinent...
Hornidge: Das liegt natürlich auch daran, dass wir mittels politischer Steuerung die großen globalen Herausforderungen lösen möchten. Aber wir müssen darauf achten, dass diese Defizitdiskurse nicht die öffentliche Wahrnehmung unseres Nachbarkontinents dominieren. Es gibt ja zahlreiche Positivbeispiele, gut laufende Partnerschaften, die zu betonen sind. Wir sollten verdeutlichen, dass wir diese Kooperationen leben, nicht, weil wir müssen, sondern, weil wir Nachbarn sind.
Interview: KNA/Johannes Senk