Impuls zum Sonntagsevangelium am 25.02.2024
Väter und Kinder
Foto: kna/Elisabeth Schomaker
Um Vater und Sohn geht es in den biblischen Texten dieses Sonntags. Da ist das Evangelium, in dem Gott Jesus als seinen Sohn bestätigt. „Dieser ist mein geliebter Sohn“, ruft eine Stimme aus den Wolken. Genauso wie bei der Taufe Jesu im Jordan – einem Evangelium, das wir vor wenigen Wochen gehört haben. Auch da ergeht der Ruf: „Mein geliebter Sohn.“ Was für eine Zusage, was für ein Glück!
Ein Glück ist es, einen Menschen geliebtes Kind nennen zu dürfen. Auch wenn wir heute der Natur auf vielfältige Weise nachhelfen können, bleiben Kinder ein Geschenk. Wir können sie nicht bestellen und auch wenn wir sie haben, sind sie uns ein Stück weit entzogen. Wir können uns noch so um sie bemühen und in der Erziehung und Begleitung anstrengen – wir wissen nicht, wie sie sich entwickeln, welche Menschen ihre Wege kreuzen, wer sie beeinflusst, welche Ereignisse sie zu bewältigen haben, welche Fehler wir dann doch machen. Wir können nur ihren Weg begleiten. Und irgendwann müssen – oder dürfen? – wir sie in die Selbstständigkeit entlassen.
Kinder haben fast grenzenloses Vertrauen in ihre Eltern
„Du bist mein geliebtes Kind“ ist eine Zusage voller Glück, Stolz, aber auch Verantwortung. Zeitlebens fühlen sich Eltern für ihre Kinder verantwortlich. Sie leiden mit, wenn die erwachsenen Kinder vor Schwierigkeiten stehen, in ihrer Beziehung scheitern, den Job verlieren, krank werden. Sie freuen sich, wenn es den Kindern und deren Kindern gutgeht.
Umgekehrt gilt, dass „Du bist mein geliebtes Kind“ für die Kinder eine Zusage ist: Du darfst darauf vertrauen, dass ich an deiner Seite bin. Ich bin für dich da! Kinder müssen sich darauf verlassen können. Hilf- und wehrlos kommen sie auf die Welt. Lange Zeit sind sie auf den Schutz der Eltern angewiesen. Grenzenloses Vertrauen prägt daher die Beziehung von Kindern zu ihren Eltern. Selbst, wenn diese das Vertrauen missbrauchen.
Umso verstörender ist die Geschichte von der Opferung Isaaks, die wir auch an diesem Sonntag hören. Abraham ist bereit, seinen Sohn zu opfern. In der ungekürzten Fassung der Bibelstelle der ersten Lesung wird beschrieben, wie Abraham sich mit Isaak auf den Weg macht, ihm sogar das Holz auflädt.
Von einem Widerspruch Isaaks ist keine Rede. Nur einmal blitzt vielleicht so etwas wie eine böse Ahnung auf. Isaak spricht seinen Vater an: „Mein Vater!“, vergewissert sich, dass er da ist und zuhört. „Hier bin ich!“, bestätigt Abraham. Dann formuliert Isaak seine vielleicht bange Frage: „Hier ist Feuer und Holz. Wo aber ist das Lamm für das Brandopfer?“ Abraham beruhigt seinen Sohn: „Gott wird sich das Lamm für das Brandopfer ausersehen.“ Und dann gehen sie weiter.
Isaak ist beruhigt, schließlich vertraut er seinem Vater. Aber zu Recht? Die biblische Geschichte erreicht ihren grausamen Höhepunkt, als Abraham seinen Sohn fesselt, auf das Holz legt und das Messer zückt, „um seinen Sohn zu schlachten“, wie es ziemlich brutal in der Lesung aus dem Buch Genesis heißt. Erst als der Bote Gottes ihm Einhalt gebietet, lässt Abraham von dem Opfer ab.
Die Geschichte ist vielfach interpretiert worden, von jüdischen, christlichen und islamischen Theologen. Parallelen zur Passion Jesu werden gezogen, die Geschichte als Einspruch gegen Menschenopfer in der damaligen Zeit gelesen.
Die einfachste Deutung ist vielleicht die, dass Abraham als Vorbild für unbedingten Gehorsam gegen Gott und ebensolches Vertrauen dargestellt wird. Wie ein Kind seinen Eltern, so vertraut auch Abraham, dass Gott es gut mit ihm meint. Obwohl er sicher überhaupt nicht versteht, was Gott in dieser Situation von ihm verlangt, vertraut er darauf, dass die Geschichte gut ausgeht. Und Gott bestätigt das in ihn gesetzte Vertrauen.
Abraham vertraut Gott, so wie Isaak ihm vertraut. Allerdings landet Isaak mit diesem Vertrauen auf dem Opferaltar. Das zeigt, wie wertvoll dieses Vertrauen ist, wie schnell es aber auch missbraucht werden kann. Psychologen wissen: Die vertrauensvolle Bindung zwischen Eltern und Kindern ist das beste Rezept für ein gelingendes Leben. Wo das Urvertrauen fehlt, wird das Leben schwierig.
In einer anderen Vater-Sohn-Geschichte der Bibel zahlt sich dieses Vertrauen aus: Der verlorene Sohn kehrt nach seinen Eskapaden zurück zum Vater, der ihn liebevoll aufnimmt. Diese Gewissheit, aufgefangen zu werden, wenn es schiefläuft, verleiht die Kraft und das Selbstbewusstsein, in die Welt zu gehen und das Leben in Angriff zu nehmen.
Nicht klammern, sondern loslassen schenkt Segen
Ein unerschütterlicher Glaube, wie Abraham ihn offenbar hat, hilft auch dabei. Die Gewissheit, von Gott wie ein geliebtes Kind betrachtet zu werden, von ihm begleitet und gehalten zu werden, verleiht Kraft, das Leben in seinem Sinn zu gestalten.
Interessant ist die Erklärung des Engels am Ende der Lesung: „Weil du deinen Sohn mir nicht vorenthalten hast, will ich dir Segen schenken in Fülle.“ Abraham hat nicht versucht, seinen Sohn für sich zu behalten. Er hat sich nicht an ihn geklammert. Dafür wird er nun reichlich belohnt.
Mag sein, dass es eine gewagte Deutung ist, aber vielleicht kann man das so lesen: Wer als Mutter oder Vater versucht, seine Kinder immer an sich zu binden, wer sie für sich reserviert, bringt sich um diesen Segen. Oder andersherum: Wenn ein Kind sich frei entfalten kann, das eigene Leben gestalten kann, ist das auch für die Eltern ein Segen. Das Leben und die Erfahrungen des eigenen Kindes können das Leben der Eltern bereichern.
Du bist mein geliebtes Kind: ein einfacher Satz, der bis heute vom Glück und Segen erzählt, Kinder zu haben und Kind zu sein, vom Vertrauen und vom Loslassenkönnen. Auch weil da ein anderer Vater ist, der niemals loslassen wird.