Papst unterstützt weltweite Impf-Kampagne

Vatikan fordert faire Impfungen

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Lang ersehnt und doch umstritten: Mit dem Corona-Impfstoff sind viele ethische Debatten verbunden. In die mischt sich nun auch der Vatikan ein. Er fordert, dass die Vakzine weltweit gerecht verteilt werden. Impfen sei ein Ausdruck von Solidarität. 

Ein Arzt hält ein Fläschchen des Corona-Impfstoffes in der Hand.
Für alle reicht es noch lange nicht: Bei der Verteilung der Corona-Impfstoffe
dürfen ärmere Länder nicht das Nachsehen haben, fordert der Vatikan. 

Der Vatikan hat ein 20-Punkte-Papier zu ethischen Fragen rund um Corona-Impfungen veröffentlicht. Darin mahnt die katholische Kirche eine global gerechte Verteilung der Vakzine an, besonders mit Blick auf arme Länder und patentrechtliche Fragen. Systemrelevante Berufsgruppen sollten bevorzugt geimpft werden. Impfgegnern wirft das Dokument eine Gefährdung anderer vor. Erarbeitet wurden die Leitlinien von einer im April ins Leben gerufenen Kommission der vatikanischen Entwicklungsbehörde und von der Päpstlichen Akademie für das Leben, der medizinethischen Fachstelle des Vatikan.

Die neuen Impfstoffe müssten für alle verfügbar und erschwinglich sein, betont das Papier. Andernfalls erzeuge man eine "neue Ungerechtigkeit". Die ethischen Fragen ihres universalen und gerechten Einsatzes betreffe den ganzen Zyklus der Produktion, Zulassung, Verteilung und Verabreichung. Bedenken hinsichtlich der Verwendung von Stammzellen abgetriebener Embryonen bei der Entwicklung der Vakzine räumen die Ethiker aus.

Zwar könne ein Schwangerschaftsabbruch nicht durch Zwecke der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden und bleibe die Verbreitung und der Verkauf embryonaler Zelllinien "prinzipiell moralisch unerlaubt"; dennoch könne im Rahmen einer abgestuften Verantwortung die Nutzung solchen biologischen Materials zulässig sein. So sei auszuschließen, dass es eine "moralisch erhebliche Kooperation zwischen denen, die diese Impfstoffe benutzen, und der Praxis des freiwilligen Schwangerschaftsabbruchs gibt".

Zum Thema Patentierungen erklärt der Vatikan eine Vergütung der Entwicklungskosten und des unternehmerischen Risikos für statthaft, betont aber, die Impfstoffe müssten allen ohne Benachteiligung zugänglich sein. Das alleinige Ziel einer kommerziellen Nutzung sei ethisch nicht zulässig.

Ebenso wie die Suche nach Impfstoffen teilweise internationaler Zusammenarbeit erfolgt sei, solle die Produktion und Verteilung Synergien nutzen und nach dem Prinzip der Subsidiarität erfolgen.

Systemrelevanten Berufsgruppen wie medizinischem Personal, Lehrern und Sicherheitskräften räumt der Vatikan bei den Impfungen einen Vorrang noch vor Schutzbedürftigen wie Alten oder Menschen mit Vorerkrankungen ein. Generell müssten "bestimmte Personen in allen Ländern statt alle Personen in bestimmten Ländern" geimpft werden, zitiert das Papier den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Ghebreyesus.

Patientenschützer: Vatikan hätte besser geschwiegen 

Die persönliche Entscheidung, inwieweit eine Impfung moralisch geboten ist, muss aus Sicht des Vatikan die öffentliche Gesundheit in Rechnung ziehen. Eine verweigerte Immunisierung könne zum Risiko für andere werden, heißt es. Die moralische Verantwortung greife auch dann, wenn nur Impfmittel zur Verfügung stünden, die mit Hilfe abgetriebener Föten hergestellt worden seien. Hier bestehe lediglich eine "indirekte und entfernte" passive Mitwirkung an einem von der katholischen Kirche abgelehnten Schwangerschaftsabbruch.

Das Papier verwies auf eine Stellungnahme der Bischöfe von England und Wales, die Impfungen als Ausdruck der Solidarität bezeichneten. Impfverweigerer erhöhten die Infektionsgefahr für diejenigen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden könnten und daher auf Herdenimmunität angewiesen seien. Personen, die eine Impfung ablehnten und deshalb an Covid-19 erkrankten, nähmen dem Gesundheitssystem unnötig Ressourcen.

Katholische Institutionen und Gruppen sollen sich laut dem Vatikan an der weltweiten Impfkampagne beteiligen. Die Ortskirchen könnten als Katalysator bei der Kommunikation und Aufklärung mitwirken, hieß es.

Kritik an der Impfreihenfolge kam von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Vorstand Eugen Brysch sagte: "Es wäre in diesem Fall besser gewesen, der Vatikan hätte geschwiegen." Die Entscheidung in Deutschland, zunächst die zu impfen, die von dem Virus am meisten bedroht würden, sei ethisch geboten und wissenschaftlich begründet. "Schließlich sind es die Schwerstkranken, Pflegebedürftigen und alten Menschen, die bei einer Infektion besonders schwere Krankheitsverläufe haben und die höchsten Todesraten." Systemrelevante Berufsgruppen seien lange nicht so stark bedroht wie Alte und Pflegebedürftige.

kna /Burkhard Jürgens