Priester Hubert Janssen findet eine zweite Heimat auf Ameland

Voller Sehnsucht

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Hubert Jansen steht vor einem Schiffsmodell
Nachweis

Foto: Cordula Spangenberg

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Ein elektrifiziertes Kreuzfahrt-Modell erinnert an die vielen Touren, die Hubert Janssen in alle Welt unternahm.

Starke Familienbande: Der Kevelaer Priester Hubert Jansen lebt mit zusammen mit zwei seiner Schwestern. Was sie eint, ist die Liebe zur Kirche, zum Glauben - und viele schöne Erinnerungen an die westfriesische Insel Ameland.

Hubert Janssen (96) wohnt mit zwei Schwestern in Kevelaer, 1995 ist er als Emeritus in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Liesel (84), die Jüngste der insgesamt sechs Janssens, sitzt still dabei und sorgt für die Bewirtung. Marianne (95) ist seit 1956 die Haushälterin ihres älteren Bruders, die beiden sagen meistens „wir“, wenn es um Erinnerungen geht.

Familienbande spielen bei den Janssens eine riesige Rolle. Das ganze Esszimmer ist voller Familienerinnerungen, zahllose Fotos klemmen an der Vitrine: von gemeinsamen Erlebnissen auf Ameland, der früh nach Kanada ausgewanderten Schwester und neun­fachen Mutter Irmgard, dem Professorenbruder Friedrich (88), dem im Krieg gefallenen Bruder und Kunstschmied Josef, aber auch eins von Johannes Paul II. mit den Janssens.

„Die Verwandtschaft war gut besetzt mit Pastören“, sagt Hubert. „Aber es gab auch Ausreißer“, sagt Marianne und nennt eine urgroßmütterliche französische Hugenottin und ein paar protestantische Angehörige aus dem Salzburger Land. Auch der 1837 in Goch geborene Priester Arnold Janssen, Gründer der Steyler Missionare, stamme aus einem angeheirateten Teil der Familie. „Den haben wir heiliggesprochen in Rom“, sagt Marianne. Mit dem früheren Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen habe man dagegen nichts zu tun.

Der Star der Verwandtschaft ist Mariannes Patenonkel Edmund Janssen: Jahrgang 1886, Priester, Studienrat, laut Gedenkplatte im Janssenschen Esszimmer „pastor et nauta – Hirte und Seefahrer“. Mit seinem Kapitänspatent schipperte er die ersten niederrheinischen Kinder von Kevelaer aus über den Rhein nach Ameland und rechnete ihnen die Badezeiten bei Flut aus.
 

Er hat Alfred Hitchcock persönlich kennengelernt

Hubert Janssen mit seinen Schwestern
Hubert, Liesel und Marianne Janssen, die fürs Foto eigens ihre Schiffsjacke trägt. Foto: Cordula Spangenberg

Onkel Edmund war es also, der 1921 am Niederrhein die Ameland-Euphorie ins Rollen brachte. Hubert Janssen fuhr 1938 als Elfjähriger zum ersten Mal mit. Dann kam der Krieg und mit ihm eine Ameland-Pause. Aber kaum war Hubert Janssen 1952 zum Priester geweiht und Jugendkaplan in Duisburg-Homberg, nahm er die Sache selbst in die Hand, auch anschließend als Aushilfspriester in Rheinberg, 20 Jahre lang als Berufsschullehrer in Recklinghausen oder später als Subsidiar im Vest.

Die Lager waren damals sehr einfach: Geschlafen wurde im Stroh des sommerlich verwaisten Kuhstalls, statt fester Toiletten gab es zunächst einen Donnerbalken, als Fortschritt galt schon ein Rondell mit Wasserhähnen für die Katzenwäsche. Pfarrer und Küchenteam wohnten allerdings beim Bauern im Haus.

Den Kindern gefiel es, alljährlich fuhren 60 bis 120 mit den Janssens. Und den Janssens gefiel der Sommer auf Ameland mit Feriengottesdiensten, Freizeitaktionen und Quetschkommoden-Abenden ebenso.

„Wann haben wir eigentlich aufgehört?“, fragt Hubert. „Wir haben noch gar nicht aufgehört“, sagt Marianne – auch wenn die Corona-Pandemie allen Ameland-Fahrern und -Fahrerinnen zunächst einen Strich durch die Reisepläne gemacht hatte.

Der reiselustige Hubert Janssen hatte aber noch eine zweite Leidenschaft: Als Bordpfarrer war er über 50 Jahre lang immer wieder auf Passagier- und Kreuzfahrtschiffen unterwegs, betreute Touristen und Migranten, feierte Gottesdienste, glänzte mit Sternenkunde, führte Landausflüge und lernte Alfred Hitchcock persönlich kennen.

Eine Weltkarte im Flur des Hauses in Kevelaer ist gespickt mit weit über 100 Standortfähnchen auf allen Kontinenten. Auf diesen Reisen konnte Hubert auch die dritte Schwester Irmgard besuchen: mit dem Schiff von Bremerhaven nach Montreal, dann drei beschwerliche Tage und Nächte im Zug quer durch Kanada. „Ich war leider nicht mit“, bedauert Marianne.

Radtour von Worms nach Rom und zurück

Inzwischen hat Hubert Janssen das öffentliche Zelebrieren von Gottesdiensten weitgehend aufgegeben. Hausmessen feiert er aber noch regelmäßig daheim in der winzigen Kapelle in der ersten Etage. „Klein, aber schön“, sagt Hubert. „Nur wir drei“, sagt Marianne. Links und rechts vom Altar sitzen dann die Schwestern.
Manchmal kommt auch Professorenbruder Friedrich zu Besuch, dann wird es eng in der Kapelle. Wenn die Brüder theologisch fachsimpeln, „dann schweigen wir“, sagt Marianne. Hubert dagegen findet: „Ich bin begleitet von zwei Damen, die aufpassen, ob ich alles richtig mache.“

Fit ist er aber immer noch, der hochbetagte Priester, und in Kevelaer viel mit dem Rad unterwegs. „In Holland bist du in 20 Minuten“, sagt er und erinnert sich direkt, „wie wir im Heiligen Jahr 1950 mit dem Rad von Worms nach Rom und zurück gefahren sind. Da kam ich so nach Hause“, sagt er und zeigt mit den Händen ein sehr schmales Gesicht.

Wenn er nach der Tour sein Rad wieder in der Garage unterstellt, fehlt dort seit einiger Zeit das eigene Auto. „Leider“, bedauert Marianne, „ich hab so Sehnsucht nach Ameland. Aber wie hinkommen ohne Auto?“ An Mitfahrangeboten fehlt es nicht, vielleicht klappt es ja im Sommer.

Cordula Spangenberg