Osnabrücker als Korrespondent im Vatikan

Volles Adrenalin bei weißem Rauch

Image
Porträtfoto eines Mannes auf dem Petersplatz in Rom
Nachweis

Foto: privat

Caption

Der Osnabrücker Roland Juchem gehört zum Team der Vatikanberichterstatter der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Roland Juchem ist Journalist und arbeitet für die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) üblicherweise in Osnabrück. Seit dem Tod von Papst Franziskus ist Rom sein Einsatzort. Im Interview erzählt der 64-Jährige, wie sein Arbeitstag aussieht, wie weit er vom Petersplatz entfernt ist und wie kompliziert es ist, Hintergrundinformationen von Kardinälen zu bekommen, die der Presse nur wenig sagen dürfen.

Herr Juchem, bis 2017 haben Sie in der Zentralredaktion der Verlagsgruppe Bistumspresse in Osnabrück gearbeitet, die überregionale Inhalte für viele Bistumszeitungen in Deutschland aufbereitet. Wie kommen Sie nach Rom? 

Mit meinem Wechsel zur Katholischen Nachrichtenagentur bin ich für fünf Jahre als Vatikankorrespondent nach Rom gegangen. Seit 2022 bin ich wieder in Osnabrück und bearbeite von dort aus für die KNA regionale und überregionale Themen. Zurzeit bin ich für zwei Wochen in Rom, jetzt zur Unterstützung unseres dreiköpfigen Teams. Denn wenn ein Papst gestorben ist und sein Nachfolger gewählt wird, ist das für alle Vatikanberichterstatter immer eine große Belastung.

Wo sind Sie untergekommen? 

Es ist zurzeit schwer, in Rom eine Unterkunft zu finden. Die Stadt ist sehr voll. Viele Menschen hatten zu Ostern ohnehin eine Reise hierher geplant, viele sind zur Beerdigung von Papst Franziskus gekommen, viele bleiben zum Konklave, ohnehin sind massenhaft Pilger hier wegen des Heiligen Jahres. Ich bin bei einer Kollegin untergekommen, die ganz in der Nähe wohnt und ihr Gästezimmer zur Verfügung gestellt hat.

Wie sieht Ihr Arbeitstag aus? 

Ich muss Meldungen verfassen und dafür recherchieren. Meist geht es um den Tod des Papstes und um das, was jetzt kommt, das Vorkonklave und schließlich die Wahl. Aber natürlich gilt es, auch die sonst üblichen Themen zu bearbeiten. Die Arbeit haben wir uns im Team aufgeteilt. Für die Beerdigung von Papst Franziskus war ich hier im Büro, eine Kollegin hatte ihren Platz oben auf den Kolonnaden, eine andere war in Santa Maria Maggiore, wo der Leichnam beigesetzt wurde. So spielen wir uns gegenseitig die Bälle zu.

Wann geht es morgens los? 

Der Arbeitstag beginnt im Moment um 8 Uhr, für Journalisten also ungewöhnlich früh. Einer von uns steht vor dem Vatikan und beobachtet, ob einer der Kardinäle vorbeikommt und ein Statement abgibt. Da steht dann eine ganze Traube von Journalisten, vor allem die Videoberichterstatter. Sie warten auf einen mit einer roten Kappe bedeckten Mann und hoffen darauf, etwas von ihm zu erfahren, ein paar kurze Sätze, einen kleinen Kommentar. Allerdings sagt kaum jemand etwas, eher noch die älteren Kardinäle, die gar nicht mehr mitwählen dürfen. Für mich ist das manchmal ein komisches Schauspiel und auch nicht immer eine Zierde unserer Zunft, weil viel Kaffeesatzleserei dabei ist.

Und sonst?

Ansonsten ist der Arbeitsanfall je nach Lage. Der Vatikan informiert mittags über die Versammlung der Kardinäle am Vormittag, gibt allerdings nur wenige recht allgemeine Infos zu den behandelten Themen heraus. Zudem gibt es jede Menge organisatorische Infos. Aus all dem machen wir Meldungen für unsere Kunden, darunter der Kirchenbote. So kann der Tag bis 18 oder 20 Uhr dauern. Abends sind oft noch Hintergrundgespräche, die nehmen aber in der Regel meine hier ansässigen Kolleginnen und Kollegen wahr.

Stehen Sie auch vor dem Vatikan und warten auf einen Kardinal? Und wie ist das, jemandem etwas „aus der Nase zu ziehen“, was derjenige gar nicht sagen will? 

Ich habe auch zwei Tage am Tor gestanden und mit zwei Kardinälen gesprochen, die schon über 80 Jahre alt sind und deshalb nicht mitwählen dürfen. Beide haben freundlich geantwortet. Unaufgeregt haben sie über ihre Einschätzung der Lage der Kirche gesprochen und wie die Stimmung unter den Anwesenden ist. Daraus habe ich zwei Meldungen gemacht. Man muss aber auch sagen, dass da viele Floskeln verwendet werden. Denn über Interna dürfen und sollen sie natürlich nicht sprechen. Die offiziellen Mitteilungen erfolgen wie gesagt mittags vom Vatikan.

Worum geht es da? 

Zum Beispiel wurden da die Termine für die Beisetzung, für den Beginn des Vorkonklaves und schließlich für die Papstwahl mitgeteilt. Oder es wurde bekanntgegeben, wer von den Kardinälen bereits angereist ist.

Beteiligen Sie sich an der schon erwähnten Kaffeesatzleserei? Als Sie noch in Osnabrück bei der Kirchenzeitung gearbeitet haben, haben Sie unter den Kolleginnen und Kollegen doch mal ein Gewinnspiel vorbereitet. 

Das machen wir jetzt nicht, dafür ist viel zu wenig Ruhe. Wir gucken uns die Lebensläufe der möglichen Kandidaten an und bereiten etwas für eine Veröffentlichung vor, um gewappnet zu sein, wenn es so weit ist. Darüber reden wir ausgiebig, aber das ist auch vor dem Tod des Papstes schon geschehen. Ein Vatikanjournalist ist immer bestrebt, Hintergründe über führende Kirchenvertreter zu sichten. Wie profilieren Sie sich, womit fallen sie auf? Dann werden in der Wochenkonferenz mit der gesamten KNA-Redaktion die Arbeiten verteilt. Wer schreibt ein kurzes oder langes Porträt über diesen oder jenen Kardinal? Diese Texte werden jetzt aktualisiert und liegen bereit, damit sie schnell an die Medien geschickt werden können, wenn weißer Rauch aufsteigt.

Sie sind also nah dran am Geschehen, aber doch die meiste Zeit im Büro? 

Stimmt, auf die Schnelle war es nicht möglich, mich zu akkreditieren, damit ich auch an den Pressekonferenzen teilnehmen kann. Unmittelbar vor Ort bin ich deshalb nicht. Ich sitze vor dem Bildschirm, verfolge die aktuelle Berichterstattung. Andererseits bin ich eben auch nur 100 Meter vom gesamten Geschehen entfernt. 

Steigt der Puls, je mehr es auf das Konklave zugeht? 

Es ist mein erstes Konklave, das ich in Rom erlebe. Ich muss erstmal sehen, wie es dann sein wird. Wenn ein Wahlgang ansteht, werden ein, zwei Kollegen auf dem Petersplatz voller Anspannung auf die Rauchsignale warten. Da ist dann Nervosität dabei. Kommt schwarzer Rauch, entspannt man sich schnell und setzt entsprechend eine Meldung ab, in der dann auch stehen wird, der wievielte Wahlgang das war und wann der nächste zu erwarten ist. Ist der Rauch weiß, geht natürlich das Adrenalin hoch. Dann muss schnell die erste Meldung rausgeschickt werden. Und dann heißt es wieder warten, bis der neue Papst auf den Balkon tritt und endlich der Name feststeht. Ob ich noch hier bin, wenn es heißt „Habemus Papam“, weiß ich noch nicht. Das Konklave beginnt am 7. Mai, ich muss am 8. Mai leider zurück nach Deutschland. Aber vielleicht geht es ja schnell.

Handeln Sie mit Favoriten? 

Da kann ich auch keine anderen Namen nennen als die, die überall gehandelt werden. Ich sehe es als sehr offen. Dass es einer der deutschen Kardinäle wird, ist eher ausgeschlossen. Entscheiden müssen das sowieso die Kardinäle. Und dann braucht der Papst ja auch immer eine starke Mannschaft um sich herum. Er ist nicht derjenige, der allein herrscht und alles durchsetzen kann. Diese Leute um ihn herum sind für das Pontifikat genauso wichtig. 

Matthias Petersen