Anfrage

Vom Eingang in die Seligkeit abgehalten?

Warum werden todkranke Menschen oft mit allen medizinischen Mitteln davon abgehalten, in die große Seligkeit Gottes einzugehen? Vorenthalten wir diesen Menschen nicht ein Stück Seligkeit? Mich wundert, dass diese Fragen bei der Diskussion um Sterbehilfe katholischerseits nicht gestellt werden. O. H., Mainz

Ihre Frage ist berechtigt, aber entgegen Ihrer Wahrnehmung wird sie auch diskutiert. Von Ethikern allgemein im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Menschen, von christlichen Ethikern auch im Hinblick auf die Hoffnung auf ein Leben bei Gott.

Weil das so ist, weisen etwa Palliativmediziner darauf hin, dass es bei todkranken Menschen eben nicht um „alle medizinischen Mittel“ geht. Und sie raten allen Menschen, insbesondere aber älteren, ihren Willen im Hinblick auf medizinische Behandlung kundzutun: durch eine Patientenverfügung und eine Betreuungsvollmacht, die auch von der katholischen Kirche angeboten wird. Sie garantiert, dass mein Wille erfüllt wird, auch wenn ich mich nicht mehr äußern kann.

Solange sich jemand äußern kann, gilt sowieso Behandlungsfreiheit. Niemand muss sich einer anstrengenden Chemotherapie unterziehen, wenn er oder sie das nicht möchte. Und es gibt nicht wenige Christen, die es bewusst nicht tun, die eben nicht noch quälende drei Monate auf Erden herausschlagen wollen, weil sie daran glauben, wie Sie sagen, „in die Seligkeit Gottes“ einzugehen. Kein Arzt und kein Familienmitglied darf Ihnen da reinreden.

Das gilt beispielsweise auch für die Verweigerung von Nahrung. Dieses sogenannte „Zulassen des Sterbens“ ist auch bei christlichen Ethikern unumstritten. Genauso wie die sogenannte indirekte Sterbehilfe, also die Gabe von Medikamenten, zum Beispiel Schmerzmitteln, bei denen ein vorzeitiger Tod nicht beabsichtigt ist, aber etwa wegen der Schmerzbekämpfung in Kauf genommen wird. In der christlichen Ethik gilt gerade nicht die Lebensverlängerung um jeden Preis als Ideal, sondern das würdevolle Sterben.

Was nicht heißt, dass der aktiven Sterbehilfe das Wort geredet wird, also dem Suizid mit oder ohne Hilfe von anderen. Hier ist die christlich-ethische Grenze erreicht, genauso wie etwa der Märtyrertod nie freiwillig gesucht werden durfte.

Susanne Haverkamp