Abt Johannes Eckert im Gespräch

Von Ehrgeiz und Macht

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„Wer der Erste sein will, sei der Diener aller“, heißt es im heutigen Evangelium. Und die Lesung warnt vor Eifersucht und Ehrgeiz. Wie sich das in einem der größten Klöster Deutschlands darstellt, sagt Abt Johannes Eckert.


Johannes Eckert ist Abt des Benediktinertklosters St. Bonifaz und Andechs in Bayern. Foto: kna

Das Kloster Andechs vor den Türen Münchens ist eine Pilgerstätte. Zum einen für die Liebhaber eines wohlschmeckenden Bieres, das dort gebraut wird, zum anderen für all jene, die Einkehr in der Klosterkirche suchen und um Beistand beten.

In einer kleinen Seitenkapelle stehen große Wallfahrtskerzen, die immer dann hervorgeholt werden, wenn sich bestimmte Pilgergruppen anmelden. Zum Beispiel die Kerze des 1. FC Nürnberg in Rot-Weiß oder die vom TSV 1860 München in Blau-Weiß, wenn die Fans den heiligen Berg erklimmen. „Fußballfans sind ganz schön ehrgeizig“, sagt Martin Glaab, der Sprecher des Klosters, „die versuchen mit allen Mitteln, einen Vorteil für das eigene Team beim lieben Gott herauszuschlagen.“ Bei einer Wallfahrt nach Andechs verbinden sie dabei gern das Praktische mit dem Genüsslichen.

Abtwahl heißt auch: Wer bekommt die Macht?

Im Turm läuten die Glocken, im Bildungshaus wird das neue Programm im Schaukasten ausgehängt und in der Brauhausstube gehen die Biere in Literkrügen und die Schweinshaxen in Riesenportionen über die Theke. Eine bayerische Idylle. Aber auch ein Ort, an dem mitunter erbitterte Kämpfe ausgetragen werden, ein Ort der Intrigen und der Eifersüchteleien. „Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?“ – „Sie schwiegen, denn sie hatten sich darüber unterhalten, wer der Größte von Ihnen sei“, heißt es im Evangelium dieses Sonntags.

Drei Wahlgänge sollen es an jenem 23. Juli des Jahres 2003 gewesen sein, als es darum ging, einen neuen Abt für das Benediktinerkloster Sankt Bonifaz und somit auch für das Kloster Andechs zu wählen. Am Ende soll eine Stimme ausschlaggebend gewesen sein. Anselm Bilgri war damals das Gesicht von Kloster Andechs, ein redegewandter, fröhlicher Mönch mit besten Kontakten in die Politik und die Wirtschaft und ein talentierter Geschäftsmann obendrein. Auf der anderen Seite ein junger Mann, gerade 35 Jahre alt, aber eher zurückhaltend. Dessen Diplomarbeit trug den Titel „Dienen statt Herrschen. Unternehmenskultur und Ordensspiritualität“.

Gewonnen hat der ruhige Abt Johannes Eckert, der sich alsbald daran machte, seinen Cellerar Bilgri zu entmachten, indem er ihm wesentliche Entscheidungsbefugnisse strich. Bilgri hat das Kloster danach rasch verlassen und sagte zum Abschied: „In Andechs gibt es keinen Platz mehr für mich.“ Er hätte wahrscheinlich auch die Lesung dieses Sonntags zitieren können, um das Gleiche auszudrücken: „Wo Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art.“

Gibt es Eifersucht und Intrigen im Kloster?

Ist ein Kloster ein Intrigantenstadel? Wer Abt Johannes heute begegnet, trifft auf einen besonnen reflektierten Menschen, der die emotionale und mitunter aufreibende Vergangenheit nicht mehr groß zum Thema machen möchte. Wenn man ihn fragt, wie er Glück für sich im Leben findet, dann sagt er, dass es einem zufallen könne, ohne dass man dafür etwas tun muss. Vor zwei Jahren hat er ein Buch mit dem Titel „Hoch und Heilig“ herausgebracht. Darin beschreibt er seine Leidenschaft fürs Bergsteigen, eine Freizeitbeschäftigung, die neben der Liebe zur Natur und einer gewissen Kondition auch viel Ehrgeiz erfordert. „Auf dem Berg hat man ein Gefühl von Freiheit und von frei werden“, sagt er, „und manches, was im Alltag sehr mächtig ist, relativiert sich, wenn man auf dem Gipfel steht.“

Was im Alltag sehr mächtig ist! Darf es ein Mönch überhaupt mit der Macht aufnehmen? Darf er ehrgeizig sein? Ein Abt in der Barockzeit habe mal gesagt, man müsse ab und zu auf einen Berg steigen, damit das Kloster wieder kleiner werde, sagt der Abt. Und: „Eine Bergtour ist anstrengend, am Berg muss man auch mal umdrehen. Auch das ist eine Beschreibung des Lebens.“

Ihm sei nach der Übernahme seines Amtes sehr schnell bewusst geworden, dass die Aufgabe eines Abtes in der Tat ein Dienst sei, wodurch sich die Frage, wer der Größte unter ihnen sei, im Klosteralltag ohnehin erübrige. „Es ist ein Dienst an jedem einzelnen Mitbruder, an der Gemeinschaft. Darüber hinaus muss man in vielen Bereichen wirklich der Verantwortung dienen, die einem anvertraut worden ist.“ Das sei kein Herrschen und das habe nichts von dem, wie es früher geheißen habe: „Er regierte die Abtei 15, 20 Jahre lang.“ Nein, es sei kein Regieren, sondern tatsächlich ein Dienst, und der heilige Benedikt erinnere den Abt in seiner Regel immer wieder daran, dass dieser eines Tages Rechenschaft ablegen müsse, dass er sich also verantworten muss für das, was er tut, aber auch für das, was er lässt. „Man muss als Abt offen bleiben, vor allem ein Hörender“, ist Johannes Eckert überzeugt.

Sein Ehrgeiz: das positive Bild eines Ordensmanns

„Wo Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art.“ Der Bierhahn in der Gaststätte läuft und läuft, die Pilger stärken sich, man lacht, diskutiert – und Abt Johannes freut sich. Er weiß, dass insbesondere die Brauerei sein Kloster finanzieren muss, und selbstverständlich habe er den Ehrgeiz, sagt er, dass dies auch in Zukunft so bleibe. Nein, Ehrgeiz bedeute für ihn nicht, klosterinterne Kämpfe zu gewinnen, sondern das positive Bild eines Ordensmanns nach außen zu tragen. Die Botschaft Jesu Christi. Die Freude am Glauben. Nicht immer zur Freude seiner Mitbrüder und anderer Würdenträger, wenn er seine moderne, offene Vision einer dienenden, barmherzigen Kirche in die Öffentlichkeit trägt.

Etwa in seinem neuen Buch „Steh auf“ über starke Frauen im Markusevangelium. Darin beeindruckt ihn besonders jene, die an Blutfluss leidet und gegen alle Vorschriften auf Jesus zuzugeht, ihn berührt, weil sie glaubt: Wenn ich ihn berühre, werde ich gesund. „Das ist ein Glaube, der gesund macht, obwohl er Grenzen und Vorschriften überschreitet. Das ist für mich ein sehr selbstbewusstes Auftreten.“

Sagt es und geht zum Stundengebet – auch irgendwie selbstbewusst. Und ehrgeizig. Aber sympathisch und so, als ob für ihn die Frage, wer denn nun der Größte unter ihnen sei, wirklich nicht relevant wäre.

Von Peter Hummel