Wallfahrt zum heiligen Vicelin

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Gemälde des Malers Christoffer Wilhelm Eckersberg
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Vicelin verteilt Brot unter den Armen: Bild des dänischen Malers Christoffer Wilhelm Eckersberg. 

Der 10. Dezember ist Gedenktag des heiligen Vizelin. Die Bordesholmer Klosterkirche und die Namen vieler anderer Kirchen erinnern an diesen Bischof und Missionar der Slawen aus dem 12. Jahrhundert. Die Tradition der Vicelin-Wallfahrt dagegen ist vergessen.

Bis zur Reformation war das Kloster in Bordesholm mit dem Grab des Apostels von Holstein ein vielbesuchter Wallfahrtsort. Vor Jahren erlebte ich bei einer Exkursion mit der Katholischen Akademie Hamburg, dass sich der dortige Kirchenführer über die ungewöhnlich große Zahl der Bestattungen in und um die Kirche wunderte. Eine plattdeutsche Chronik aus dem Jahre 1623 berichtet: Gräber finden sich im Chorraum der Kirche, im Kreuzgang und ungezählte „im Sande“ des alten Klosterfriedhofs (in hortu pacis). Zudem entstanden nach der Reformation 16 Erbbegräbnisse holsteinischer Familien. Auch wurden viele Professoren der Kieler Universität hier beerdigt. Für mich bleibt diese große Zahl der Gräber nicht verwunderlich. Es ist eine altchristliche Tradition, in der Nähe eines Heiligengrabes bestattet zu werden.

In der Bordesholmer Klosterkirche war bis zur Reformation das hochverehrte Grab des heiligen Vizelin, des Apostels von Holstein. Vizelin wurde um das Jahr 1090 in Hameln geboren und war zunächst Domschulmeister in Bremen. 1126 ging er nach Magdeburg in Begeisterung für den heiligen Norbert, der ihn zum Priester weihte und zur Mission an der Ostsee aussandte. In dem Ort Faldera gründete er das Augustiner-Chorherren-Stift Neumünster (Novum monasterium) und wurde 1145 zum Bischof für Holstein geweiht durch Erzbischof Adalbero von Hamburg. Er stellte damit das Missionsbistum Oldenburg in Holstein wiederher, das nach dem Wendenaufstand 1066 vernichtet worden war. 

Weil aber das Gebiet um Oldenburg immer noch unsicher war, nahm Vizelin seinen Wohnsitz in Bosau am Plöner See, wo er die Kirche erbaute. Wenige Tage nach der Weihe dieser Kirche erlitt er 1152 einen Schlaganfall und verbrachte die letzten Lebensjahre rechtsseitig gelähmt in seinem Kloster in Neumünster, wo er am 10. Dezember 1154 starb und begraben wurde. Sein Nachfolger Gerold verlegte 1156 den Bischofssitz nach Lübeck.

Um in größerer Beschaulichkeit leben zu können, verlegten die Chorherren in den Jahren 1327–1332 ihr Kloster auf eine kleine Insel im See von Bordesholm, die später durch Dämme mit dem Festland verbunden wurde. Dabei nahmen sie die Gebeine des heiligen Vizelin mit. Sein Grab wurde dort das Ziel von vielen Pilgern und Wallfahrern. Bereits 1332 wurde die Klosterkirche zu Ehren der Gottesmutter Maria geweiht. In den Jahren 1490, 1502 und 1529 musste sie wegen des großen Andrangs von Pilgern und Wallfahrern durch Verlängerung vergrößert werden. Als eindrucksvolles Gotteshaus ist die dreischiffige gotische Hallenkirche heute die Pfarrkirche der evangelischen Gemeinde. 

Wo wurden die Gebeine des Heiligen vergraben? 

Schönster Schmuck der Kirche war der von Meister Hans Brüggemann in den Jahre 1514–1521 geschaffene „Bordesholmer Altar“, den Herzog Christian Albrecht im Jahre 1666 in den Dom zu Schleswig überführen ließ. Christian Albrecht ist auch der Gründer der Kieler Universität (1665). Den Hauptstamm ihrer bedeutenden Bibliothek bildete anfangs die alte Klosterbibliothek der Chorherren.

Von der alten Klostereinrichtung blieben in der Kirche nur das gotische Triumphkreuz , das mehrfach restaurierte Chorgestühl mit 15 Sitzen auf jeder Seite und von ehemals 14 Seitenaltären nur der Altar mit dem holzgeschnitzten Bild des heiligen Augustinus erhalten sowie eine Altartafel mit den vier abendländischen Kirchenlehrern Gregor d. Große, Ambrosius, Augustinus und Hieronymus.

Das Grab des heiligen Vizelin mit einer Inschrift „Ossa pii patris hic condita sunt Vicelini (Hier sind die Gebeine des frommen Vaters Vizelin beigesetzt) befand sich in einem Kreuzarm an der Nordseite des Altarraumes. In jüngerer Zeit wurde dort eine Gedenktafel angebracht, die auf Latein die Memoria an das frühere Grab des „frommen Vaters Vizeli n“ festhält. Das Kloster blieb trotz der im Lande eingeführten Reformation erstaunlich lange katholisch und wurde erst 1566 durch Herzog Johann aufgehoben. Die verbliebenen Chorherren emigrierten in die Niederlande. Danach erlosch die Wallfahrt. Herzog Friedrich I. ordnete 1614 an, die Gebeine aus der Grabstätte zu entfernen und „anderswo“ beizusetzen. Die Überlieferung sagt, seine Gebeine seien mit den übrigen Reliquien des Klosters im Altarraum vergraben worden. In meinen Kieler Kaplansjahren (1964–1970) wurde unter der Hand erzählt, bei der Verlegung des neuen Backsteinfußbodens der Kirche in den Jahren 1962-1965 wären diese aufgefunden worden. Die Untersuchung der menschlichen Knochen habe deutlich die Herkunft aus dem 12. Jahrhundert ergeben, also 200 Jahre älter als das Kloster in Bordesholm. Die Stelle aber, wo diese Überreste weiterhin ruhen, wurde nicht bekannt gemacht. In vorökumenischer Zeit fürchtete man damals das Wiederaufleben der katholischen Wallfahrt zum heiligen Vizelin. Heute können wir diesen Heiligen als Apostel von Holstein in ökumenischer Verbundenheit ehren. Der Besuch der alten Klosterkirche bleibt ein lohnendes Ziel.

Wilm Sanders