Anfrage
Warum ist Kardinalsein an die Weihe gebunden?
Über Jahrhunderte waren männliche Laien als Kardinäle Mitarbeiter des Papstes. 1917 wurde die Priesterweihe Voraussetzung für ein Kardinalsamt. Warum? R. S., Stadtroda
Der letzte Laie, der zum Kardinal erhoben wurde, war vor 160 Jahren Theodulf Mertel, ein Jurist und vatikanischer Minister, der darauf zum Subdiakon geweiht wurde und damit auch zum Klerus gehörte. Im 1917 erstmals einheitlichen kirchlichen Gesetzbuch wurde dann die Regel festgeschrieben, dass nur Kleriker Kardinal werden können; sie wurde im neuen Gesetzbuch 1983 übernommen. Wer heute bei der Kardinalsernennung kein Bischof ist, muss sich in der Regel erst noch zum Bischof weihen lassen.
Schon vor 1917 war es mehr und mehr Praxis, dass der Papst nur Priester und vor allem Bischöfe zu Kardinälen ernannte. Das erklärt sich zum Teil daraus, dass die Kardinäle nicht nur Berater des amtierenden Papstes sind, sondern vor allem auch die alleinigen Wähler eines neuen Papstes. Auch wenn das Kirchenrecht heute mehr Möglichkeiten lässt, wählen die Kardinäle den neuen Papst in letzter Zeit immer aus ihren eigenen Reihen.
Die Rolle der Kardinäle bei einer Papstwahl hat seit dem 11./12. und dann verstärkt ab dem 16./17. Jahrhundert die heutige Gestalt gefunden. Bis in die letzten Jahre hinein gab es immer wieder Veränderungen am Modus der Papstwahl.
Die Kirchengeschichte zeigt, dass in der Auswahl der Kardinäle bisweilen auch ganz weltliche, macht- und standespolitische und bisweilen auch persönliche Interessen und wenig spirituelle Motive vorkamen.
Wer den Papst wählt, welche Rechte die Kardinäle dabei haben, wie das Verfahren läuft und welche Einflüsse dabei eine Rolle spielten, war im Lauf der Kirchengeschichte ganz unterschiedlich. Mit den jeweils angepassten Regeln sollten erkannte Missstände abgebaut werden. Das heißt aber auch, dass es künftig wieder geändert werden kann: sowohl was für die Auswahl vorausgesetzt wird als auch was Rechten und Pflichten der Ausgewählten betrifft. Historiker und manche Dogmatiker sehen jedenfalls keine theologisch zwingenden Gründe, die die heute geltende Regelung als endgültig erscheinen lassen.
Michael Kinnen