Diskussionsabend über die „Colonia Dignidad"

Warum sollten wir uns das ansehen?

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Es war purer Zufall, dass Franz-Josef Ewerding darauf stieß: Zusammen mit seiner Tochter wollte er sich einen Film ansehen, sie entschieden sich für „Colonia Dignidad“. Seitdem brennt der Ankumer dafür, mehr über die Geschichte der Sekte zu erzählen. Und organisiert jetzt einen Diskussionsabend.


Emma Watson und Daniel Brühl standen für einen Film über die
„Colonia Dignidad“ vor der Kamera; 2016 kam er in die Kinos.
Foto: Majestic

2005 flog endgültig alles auf. Bis dahin gab es über die „Colonia Dignidad“ in Chile viele Vermutungen, aber jetzt war der aus Deutschland stammende Sektenführer Paul Schäfer am Ende, weil er keine Unterstützer mehr in seinen Reihen hatte. Ein Gericht verurteilte ihn wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern für schuldig. Er starb fünf Jahre später in der Haft.

Anfang der 1960er Jahre hatte alles begonnen. In Deutschland war ein Haftbefehl gegen Paul Schäfer beantragt worden, er ergriff daraufhin die Flucht Richtung Südamerika. Mit ihm verließen einige Anhänger das Land, die an ihn und seine Reden glaubten. Zusammen gründeten sie in Chile eine Kolonie, die „Colonia Dignidad“, in der in den folgenden Jahrzehnten Menschen drangsaliert wurden. Das Regime ließ dort sogar foltern. Obwohl es in Deutschland darüber viele Vermutungen gab, wurde nichts Entscheidendes unternommen.

2016 war die Geschichte der Kolonie Stoff für einen preisgekrönten Film. Es war Zufall, dass Franz-Josef Ewerding aus Ankum sich den Film im Mai 2017 ansah. Gemeinsam mit seiner Tochter stieß er auf ein Thema, dass beiden bis dahin völlig unbekannt war. „Ich hatte noch nie etwas von der ,Colonia Dignidad‘ gehört“, sagt Ewerding freimütig. Er begab sich auf die Suche, und bald packte ihn das Thema. „Wie konnte es gelingen, dass ein Mann allein durch seine Rhetorik eine solche Ausstrahlung gewinnen konnte?“, fragt er.

„Wir hoffen, dass die Veranstaltung in Erinnerung bleibt"

Ewerding, Mitglied der Kolpingsfamilie, warb im Vorstand um Unterstützung. Seit neun Monaten arbeitet er an der Planung eines doppelten Abends: Erst soll der Film gezeigt werden, eine Woche später ist eine Podiumsdiskussion geplant. Mit dabei mehrere Zeitzeugen, die die Jahre in Chile erlebt haben. Um die Opfer zu schützen, nennt Ewerding nicht ihre Namen, hat sich aber vorher mit ihnen getroffen, um als Moderator des Abends eine Beziehung aufzubauen.

„Als Kolpingsfamilie haben wir in unserem Leitbild stehen, dass wir Bildungsarbeit leisten und uns um soziale Missstände kümmern wollen“, sagt Ewerding. „Kolping selber hat sich mit seinem Gesellenverein um hilfsbedürftige Menschen gekümmert.“ Und das möchte auch Ewerding tun, will sich für die Opfer der Gewaltherrschaft einsetzen, ihnen Gehör verschaffen. Viele seien nicht in der Lage, ein selbstständiges Leben zu führen, weil sie zu lange in Abhängigkeit gehalten wurden.

Der Bundestag hat 2017 beschlossen, das Thema aufzuarbeiten. Ewerding und mit ihm die Vorstandsmitglieder befürchten, dass die langwierige Regierungsbildung in Berlin diesen Schritt verzögert oder sogar ins Hintertreffen geraten lässt. „Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, das alles in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir hoffen darauf, dass die Veranstaltung bei den Teilnehmern nachhaltig in Erinnerung bleibt.“

Bei all seinem Tun ist es Franz-Josef Ewerding wichtig, auch junge Leute anzusprechen. So beteiligt sich die Ankumer Kolpingjugend an den beiden Abenden. Und dass das Thema in der Ankumer Oberschule im zehnten Jahrgang behandelt wird, sieht Ewerding schon auch als kleinen Erfolg. Da lässt es sich vielleicht verschmerzen, dass mehrere Spitzenpolitiker bei der Podiumsdiskussion fehlen werden. Eingeladen waren sowohl Altbundespräsident Joachim Gauck als auch der aktuelle Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier – beide haben jedoch mit Hinweis auf andere Verpflichtungen abgesagt.

Matthias Petersen

 

Filmabend und Diskussion
Das Thema „Colonia Dignidad“ steht bei der Kolpingsfamilie Ankum an zwei Terminen im Mittelpunkt: Am Mittwoch, 28. Februar, beginnt um 20 Uhr im Gloria Kinocenter der Film des Regisseurs Florian Gallenberger (Eintritt: 7 Euro). Am Donnerstag, 8. März, ist um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Politikern, Kulturwissenschaftlern, Menschenrechtlern und Zeitzeugen im See- und Sporthotel.

Weitere Infos: www.kolping-ankum.de