Aktionswoche im Bistum Osnabrück

Was macht eine gute Predigt aus?

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Eine Frau steht im Dom am Ambo
Nachweis

Foto: Matthias Petersen

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Pastoralassistentin Katharina Westphal predigt zum Auftakt der Aktionswoche des Bistums Osnabrück im Dom. Die Messe beginnt am Sonntag, 10. September, um 19 Uhr. Foto: Matthias Petersen

Ehrenamtlich und hauptamtlich engagierte Frauen und Männer sind im Laufe der Tage vom 10. bis 17. September in einer Aktionswoche aufgerufen, in den Gottesdiensten im Bistum Osnabrück zu predigen. Wir haben aus diesem Anlass einmal einen erfahrenen Ausbilder gefragt: Was macht eine gute Predigt aus? Martin Rohner gibt überraschende Antworten.

Was macht eine gute Predigt aus?

Oh, darüber könnte man wohl ein ganzes Buch schreiben. (zögert) Ich glaube, eine gute Predigt lässt etwas zur Sprache kommen, was sie selber gar nicht zur Sprache bringen kann. 

Was meinen Sie damit?

Das, worum es da letztlich geht – der unbegreifliche Gott –, lässt sich doch von meinen menschlichen Möglichkeiten her gar nicht „zur Sprache bringen“. Aber die Predigt steht ja in einem gottesdienstlichen Rahmen. Sie legt Schrifttexte aus, die gerade verkündet worden sind, und soll ihnen eine Art Resonanzraum eröffnen, in dem sie nachklingen und „ankommen“. Da kommt also etwas zur Sprache, was im Vollzug der Liturgie da ist. Es muss aber noch eine echte Verbindung bekommen zu den Zuhörenden, ihren Erfahrungen, ihrem Leben. Ich habe am Anfang mit der Antwort gezögert, weil es leichter zu sein scheint zu beschreiben, woran eine Predigt scheitern kann.

Woran?

Martin Rohner. Foto: Matthias Petersen

Da fallen mir viele einzelne Dinge ein. Zum Beispiel: Eine Predigt ist keine theologische Vorlesung, der Prediger soll seinen Zuhörern nicht etwas beibringen wollen. Und etwas polemisch gesagt: Die Predigt darf nicht eine Art Werbeverkaufsveranstaltung werden, in diesem Fall für den Glauben. Dann: Oft bleibt die Predigt in einer vorgefassten Kirchensprache stecken, neigt zu Floskeln. Papst Franziskus verlangt von der Predigt dagegen „Worte, die das Herz entfachen“. Es geht nicht darum, jemanden mit vielen Worten zu überzeugen, sondern darum, Sprachräume zu eröffnen.

Sprachräume eröffnen – ist das nicht auch schon wieder eine Floskel?

(lacht) Ja, die Gefahr ist wohl gegeben. Mir ist das Wort aber wichtig, weil die Predigt eine Redeform ist, sie hat – natürlich – mit Sprache zu tun. Predigende brauchen neben einer theologischen Kompetenz auch eine rhetorische. Sie sollen sich so um Sprache mühen, dass sie bei den Zuhörenden ankommt. Das meinte ich mit Sprachräumen. Dem Predigenden sollte durch die Predigt zuerst für sich selber etwas aufgehen. Ich muss sozusagen zuerst mir selbst predigen – und dabei durchaus um die Sprache ringen. Dann kann ich die Hoffnung haben, dass das auch bei den Zuhörenden ankommt.

Also Räume eröffnen, damit sich beim Zuhörer etwas bewegt?

Ja, damit sich bei ihm etwas entfalten kann. Eine gute Predigt führt dazu, dass den Zuhörenden etwas aufgeht, sich eine neue Perspektive eröffnet. Gute Predigten geben keine fertigen Antworten im Stile eines Katechismus, nein, sie sorgen für Fragen, die mir weiter nachgehen – und da bleibt eben auch Raum für Zweifel und Unsicherheit. 

Wie sehr sollte sich der Prediger vorbereiten? Reicht es, dass er sich etwas aus dem Ärmel schüttelt?

Es mag da zwar Naturtalente geben, aber ich glaube eher, dass eine gute Predigt durch intensive Vorbereitung entsteht. Ob ausformuliert oder frei gehalten, Voraussetzung ist eine intensive Beschäftigung mit den Texten. Für eine überzeugende Predigt sollte man sich vorher Zeit nehmen. Es ist ja eine herausfordernde Aufgabe, der Gemeinde in wenigen Minuten einen Zugang zu einem Schrifttext zu eröffnen. Das Bemühen um eine gute Sprache darf ruhig deutlich werden.

Wie stark darf die Person des Predigers vorkommen?

Von meinem eigenen Predigtlehrer Paul Deselaers in Münster habe ich noch im Ohr: Ich soll persönlich werden, aber nicht privat. Ich darf von persönlichen Erfahrungen aus sprechen, aber die anderen müssen sich darin selbst wiederfinden können. Wenn ich als Prediger, wie vorhin gesagt, zuerst mir selbst predige, kommt diese persönliche Seite ja auch vor, wo ich nicht ausdrücklich von mir erzähle, sondern deutlich wird, was mich selbst angesprochen hat.

Von einem evangelischen Pastor kenne ich den Satz: „Man kann über alles predigen, nur nicht über 20 Minuten.“ Ist das eine gute Länge?

Es sollte in meinen Augen sogar sehr deutlich kürzer sein! (lacht) Wird eine Predigt lang, zeigt sich daran manchmal, dass zu wenig Zeit in die Vorbereitung investiert wurde. Dazu gehört nämlich auch, vieles, was man sagen möchte, wieder zu streichen. Das ist oft der fehlende Schritt. Eine Predigt braucht einen bestimmten Kerngedanken und nicht gleich mehrere.

Gibt es die Gewohnheit, mal jemand anderen auf die eigene Predigt schauen zu lassen?

Ich glaube, das ist in unserer Predigtpraxis ein großes Defizit. Wo bekommt der Prediger ein ernsthaftes Feedback? Das gilt ja auch in der Gemeinde. 

Predigen dürfen zumindest in der Eucharistiefeier ja eigentlich nur geweihte Personen, Priester und Diakone …

Die Predigtaktionswoche dient ja dazu, dass hier auch Nichtgeweihte, Männer wie Frauen, zu Wort kommen; sie ist ein erster Schritt, dass die Vielfalt der Talente und Charismen  in der Verkündigung mehr Raum bekommt. Im Theologiestudium gibt es die Homiletik, die Predigtlehre. Hier im Bistum wird zunehmend versucht, auch die Laientheologinnen und -theologen entsprechend vorzubereiten. Egal, wer es macht: Eine gute Predigt erfordert eine gute Qualifikation. Predigen ist eine Kunst, das Handwerkszeug dafür kann man lernen – ob das einzelne „Kunstwerk“ dann gut wird, ist eine andere Frage.

In der Ausgabe des Kirchenboten vom 10. September verraten sechs Frauen und Männer, wie sie sich auf ihre Predigt vorbereiten.

Matthias Petersen