Tipps von Johannes dem Täufer
Was sollen wir tun?
Alle kamen zu Johannes: Soldaten und Zöllner, Juden und Römer, Alte und Junge. Sie wollten wissen, was zu tun ist, damit das Gottes Reich kommt. Johannes hat für jeden Tipps. Und die sind erstaunlich selbstverständlich. Oder doch nicht?
Stellen wir uns vor, Johannes käme heute. Er käme zu uns, in unsere moderne Gesellschaft. Und wieder kämen die Menschen zu ihm: die Unternehmer und die Arbeiter, die Väter und Mütter, die Schüler und Lehrer, die Ärzte und Kranken. Welche Selbstverständlichkeiten würde Johannes ihnen und uns allen ans Herz legen?
Da kamen Eltern zu ihm und fragten: „Was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Vor allem: Liebt eure Kinder! Kümmert euch um sie, damit sie Halt im Leben finden, aber beschützt sie nicht zu sehr, damit sie noch Luft zum Atmen haben. Zeigt ihnen Wege, die sie gehen können, aber zwingt sie nicht in Richtungen, die nicht ihre sind. Steht zu ihnen – auch auf Irrwegen. Lebt ihnen den Glauben vor, aber lasst ihnen ihre eigenen Überzeugungen.“
Da kamen Kinder zu ihm und fragten: „Und wir, Johannes, was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Vor allem: Liebt eure Eltern! Kümmert euch um sie, wenn sie alt sind, aber bevormundet sie nicht. Respektiert ihre Meinung, aber widersprecht, wenn es nötig ist. Dankt ihnen für das Gute, das sie euch taten, aber tut nicht so, als ob alles gut war. Bestattet sie würdig und kümmert euch um ihr Grab.“
Da kamen Lehrer zu ihm und fragten: „Und was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Achtet eure Schüler. Behandelt Kevin und Chantal genauso wie Friedrich und Sophie. Seid wohlwollend euren Schülern gegenüber, aber lasst euch nicht alles gefallen. Vergesst nicht, dass ihr Vorbilder seid – auch in eurem Verhalten. Gebt niemanden auf – und das gilt auch für euch selbst.“
Da kamen Schüler zu ihm und fragten: „Und was sollen wir tun?“ Er antwortete: Respektiert eure Lehrer und respektiert eure Mitschüler. Redet nicht schlecht über sie – schon gar nicht im Internet. Tretet für Schwächere ein. Seid auch ihr euren Lehrern gegenüber wohlwollend, aber lasst euch nicht alles gefallen. Traut euch eine eigene Meinung zu.“
Da kamen Ärzte zu ihm und fragten: „Was sollen wir tun?“ Johannes antwortete: „Unterscheidet nicht zwischen Privat- und Kassenpatienten. Dient stets dem Leben, aber nehmt die Wünsche eurer Patienten ernst, vor allem, wenn ihr Leben zu Ende geht. Nehmt euch Zeit für die Sorgen von Angehörigen. Forscht, aber macht die Patienten nicht zu Testobjekten. Haltet euch nicht für Halbgötter: Gott allein ist der Herr über Leben und Tod.“
Da kamen auch Kranke zu ihm und fragten: „Was sollen wir tun?“ Johannes antwortete: „Vertraut euren Ärzten. Habt Geduld. Verzweifelt nicht und traut euch, eure Ängste und Sorgen zuzugeben. Nehmt Hilfe an. Klagt nicht nur über das, was nicht mehr geht, sondern freut euch an dem, was geht. Tut, was ihr könnt, um gesund zu werden, aber gebt euch vertrauensvoll in Gottes Hand.“
Da kamen Unternehmer zu ihm und fragten: „Und was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Zahlt einen gerechten Lohn, denn ohne eure Arbeiter könnt ihr nichts erreichen. Nutzt eure Mitabeiter nicht aus, auch wenn sie in Bangladesh oder Bratislava für euch schaffen. Beachtet die Umweltvorschriften. Zahlt die Steuern, die gefordert sind, und sucht euch keine Schlupflöcher oder Firmensitze auf den Cayman Islands. Maximiert nicht nur euren Gewinn, sondern denkt an das Wohl aller.“
Da kamen auch Arbeiter und Angestellte zu ihm und fragten: „Und wir, Johannes, was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Gebt euer Bestes in eurem Beruf. Meldet euch nicht krank, nur weil ihr etwas Besseres vorhabt. Nehmt keine Werkzeuge oder Büromaterialen mit nach Hause – es könnte sein, dass ihr sie dort vergesst. Seid kollegial, aber traut euch auch, Missstände zu benennen. Zahlt auch ihr die Steuern, die festgesetzt sind, und setzt nichts ab, was es nicht gibt, nur weil es angeblich alle tun.“
Da kamen Journalisten zu ihm und fragten: „Und was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Seid der Wahrheit verpflichtet, nicht einer Partei, einer Ideologie oder eurer eigenen Meinung. Lasst stets alle Seiten zu Wort kommen. Trennt Bericht und Kommentar. Haltet euch nicht selbst für die Besitzer der Wahrheit. Macht nicht alles schlecht, sondern behaltet das Gute im Blick. Haltet eure Leser, Hörer oder Zuschauer nicht für Dummies, die ihr erziehen müsst.
Da kamen auch Mediennutzer zu ihm und fragten: „Was sollen wir denn tun?“ Er antwortete: „Lest und schaut kritisch, damit ihr nicht auf Fake-News hereinfallt. Setzt euch auch mit Meinungen auseinander, die nicht die euren sind. Haltet Journalisten nicht von vorneherein für Lügner, sondern glaubt an ihren guten Willen. Wenn ihr Leserbriefe schreibt oder im Internet kommentiert, tut dies mit euren eigenen Namen und in einem respektvollen Ton. Stellt euch gegen Hasskommentare und unterstützt deren Opfer.“
Da kamen auch Priester und Bischöfe zu ihm und fragten: „Und was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Seid nicht Herren des Glaubens, sondern Zeugen von Gottes Liebe. Bereitet dem Herrn den Weg und verstellt ihn nicht. Macht weder den Glauben der euch Anvertrauten noch euch selbst kaputt. Stellt euch in Dienst, aber klammert euch nicht daran. Vertraut auf Gott und vertraut auf die Menschen in euren Gemeinden.“
Da kamen auch katholische Laien zu ihm und fragten: „Und wir, Johannes, was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Steht zu Gott, zum Glauben und zur Kirche, auch wenn es schwerfällt. Geht nicht auch ihr noch weg. Lebt im Alltag so, dass ihr Zeugen von Gottes Liebe seid. Seid barmherzig gegenüber anderen Menschen – auch gegenüber Priestern und Bischöfen. Lebt so, dass auch Menschen in entfernten Ländern und die kommenden Generationen auf und von der Mutter Erde leben können.“
Alles Selbstverständlichkeiten, die Johannes heute fordern würde. Oder doch nicht?
Susanne Haverkamp