"Fratelli tutti" von Papst Franziskus

Was steht in der neuen Enzyklika?

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Große Probleme bewegen die Menschheit. Was tun? Papst Franziskus empfiehlt in seiner Enzyklika „Fratelli tutti“, sich auf die Nächstenliebe zu besinnen.  

Die Zeitung 	L'Osservatore Romano mit dem Abdruck der neuen Enzyklika "Fratelli tutti" von Papst Franziskus
Die Enzyklika "Fratelli tutti" stößt weltweit auf hohe Resonanz - aber was steht eigentlich in dem 154-seitigen Papier? 

Es ist ein ganzes Bündel von akuten Krisen, mit denen sich Franziskus in seiner neuen Sozialenzyklika auseinandersetzt. Vom Erstarken populistischer Ideologien über die Migrationskrise bis hin zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie – der Papst spricht in „Fratelli tutti“ alle großen Probleme an, die derzeit die Menschheit bewegen. Aber auch der ungerechten Verteilung des Reichtums oder Krieg und Frieden widmet er Raum.

Ausdrücklich richtet er sich nicht nur an die Christen, sondern an alle Menschen. Daher wählt er das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Das stammt zwar aus der Bibel, doch die Aussage der Erzählung von dem Mann, der unter die Räuber fällt und von einem verachteten Fremden gerettet wird, während die Frommen ihn im Straßengraben liegen lassen, ist so klar, dass alle sie verstehen.

Vereinfacht gesagt empfiehlt der Papst der Menschheit, sich wieder auf die uralten Grundlagen der Nächstenliebe zu besinnen, um die Probleme von heute zu lösen. Das wirkt auf den ersten Blick beinahe naiv. Wer sich ein wenig in den Problemen der politischen Ethik auskennt, wird staunen über diese scheinbare Vermischung individual-ethischer und politischer Fragestellungen. Doch zeigt sich bei der Lektüre des 154-Seiten-Dokuments, dass es nicht der schlechteste Ansatz ist, die Perspektive der Nächstenliebe auf die Politik zu übertragen.

Wahrscheinlich wird sich Franziskus mit seinen Ideen nicht durchsetzen. Er selbst räumt ein: „Ein Plan mit großen Zielen für die Entwicklung der Menschheit klingt heute wie eine Verrücktheit.“ Und dennoch ist es wertvoll, wenn das Oberhaupt der weltweit größten Glaubensgemeinschaft einen solchen Orientierungsrahmen zu geben versucht. Ob in der Migrationskrise oder bei der Frage des Umgangs mit politischer Hetze in sozialen Netzwerken – wer sich an der Nächstenliebe orientiert, weiß, was man zu tun oder zu lassen hat.

Papst: Populismus für Christen verboten 

Es sind vor allem zwei Ideologien, die diesem Ansatz widersprechen und mit denen sich der Papst in seiner Enzyklika anlegt. Das eine sind die neuen Formen eines sich vor Einwanderung abschottenden, national-egoistischen Populismus, den der Papst als eine für Christen verbotene Option geißelt. Der andere Gegner ist der Marktliberalismus.

Die Hoffnung der Marktliberalen, dass aus der Verwirklichung der Einzelinteressen für alle das Beste herauskommt, hält Franziskus für widerlegt. Er akzeptiert das Recht auf Privateigentum nur noch als ein „sekundäres Naturrecht“. Auch in der Frage der Migration geht er weiter als seine Vorgänger; er erklärt, „dass jedes Land auch ein Land des Ausländers ist, denn die Güter eines Territoriums dürfen einer bedürftigen Person, die von einem anderen Ort kommt, nicht vorenthalten werden“.

kna/Ludwig Ring-Eifel