Anfrage
Was wurde aus dem Memorandum 2011?
Zehn Jahre ist es her, dass führende Theologinnen und Theologen das Memorandum „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“ herausbrachten. Wurden die Vorschläge angenommen oder vielleicht ein Teil davon? Wolfgang Triebsch, Hannover
Zur Erinnerung: Das Memorandum, das über 300 Theologinnen und Theologen unterschrieben, hatte grob zusammengefasst diese Anliegen: eine stärkere Beteiligung der Gläubigen auf allen Ebenen, auch als Gegenentwurf zu Großpfarreien; Aufhebung der Verpflichtung zum Zölibat; Zulassung von Frauen zum kirchlichen Amt; Verbesserung von Rechtsschutz und Rechtskultur in der Kirche; Respekt vor dem Gewissen, etwa in der Sexualmoral und der Zulassung zur Kommunion.
Mitbeteiligt an der Formulierung des Textes war Gerhard Kruip, heute Theologieprofessor in Mainz. „Es war eine bleierne Zeit“, sagt er. „Viele Probleme wurden verdrängt und tabuisiert.“ Hinzu kam der Missbrauchsskandal, der 2010 ans Licht kam. „Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.“
Ausgangspunkt war die Sorge um die Kirche. „Wenn die Kirche ihre Probleme nicht anpackt, kann sie ihrer Aufgabe in der Gesellschaft nicht gerecht werden“, sagt Kruip. Und die Probleme lagen schon damals auf dem Tisch, nur wagte niemand sie auszusprechen. „Es hat Mut gebraucht, das Memorandum zu unterschreiben“, sagt Kruip. Deshalb hat mit über 300 Unterschriften niemand gerechnet. „Aber es hat gezeigt, dass sich der Wind in der Theologie schon längst gedreht hatte.“
In der Amtskirche noch nicht, deshalb waren die Proteste der Bischöfe groß. Und trotzdem, sagt Kruip, „waren wir in gewisser Weise Türöffner“. So startete 2011 der Dialogprozess – und viele Unterzeichner des Memorandums arbeiteten mit. Die Debatten wurden offener, ehrlicher. „Es ist etwas in Bewegung gekommen“, sagt Kruip. Etwa der Synodale Weg.
Das sei nicht nur Folge des Memorandums, schränkt er ein. Auch die Offenheit von Papst Franziskus und die MHG-Studie zum Missbrauch 2018 hätten dazu beigetragen, dass die Forderungen, die das Memorandum 2011 formulierte, inzwischen zwar nicht verwirklicht, aber immer mehr vertreten werden. Auch von Amtsträgern.
Susanne Haverkamp