Abschied vom Kardinal-Volk-Haus

"Wehmütig, neugierig, dankbar"

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Das Exerzitienhaus auf dem Binger Rochusberg ist Geschichte. Zu einer Abschiedsfeier kamen viele. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf versicherte, mit dem neuen Institut für Spiritualität werde das Bistum weiter geistliche Wege gehen: an anderen Orten, mit anderen Personen. Er dankte Pastoralreferentin Martina Patenge und Pfarrer Walter Mückstein für ihre Arbeit mit Kompetenz und Herzblut. Von Ruth Lehnen 

"Ich kenne hier jeden Stein." Das sagt ein Mann, der noch im März im Kardinal-Volk-Haus in Bingen, dem Exerzitienhaus des Bistums Mainz, 30-tägige Exerzitien gemacht hat. 30 Tage weitgehend im Schweigen, da braucht es neben dem Gebet viel Auslauf, Aussicht ins weite Land, und das hat das Haus mit seiner idealen Lage auf dem Binger Rochusberg jahrzehntelang denen geboten, die ihre Beziehung zu Gott klären oder vertiefen wollten. Der Mann, der zum Abschied von diesem Haus und Ort, aber auch von den prägenden Menschen des Hauses, Martina Patenge und Pfarrer Walter Mückstein, gekommen ist, berichtet, er habe hier "umwerfende Erfahrungen" gemacht. Mit umwerfend meint er, lebensverändernd, lebenserneuernd.

Wo der heilige Geist geackert hat

Wenn der Meditationsraum erzählen könnte: Dieses Gedankenspiel wagte zum Abschied Pfarrerin Susanne Schneider-Riede. Die Menschen hätten ihre Zweifel, ihre Erfahrungen hierher gebracht und manche Durststrecke durchlebt. Wenn der Meditationsraum erzählen könnte, dann sähe man den Heiligen Geist bei der Arbeit, wie er "hier ganz schön geackert hat", sagte die Pfarrerin, die zum Netzwerk des Kardinal-Volk-Hauses gehört: Hier versammelten sich Menschen nicht nur zum Beten und sich Besinnen, hier wurden auch Menschen zu geistlichen Begleitern und Begleiterinnen ausgebildet.

Dieses Netzwerk sprach Schwester Ancilla-Maria Ruf an, als Kreuzschwester Nachbarin des Exerzitienhauses, das auf dem Grund der Kreuzschwestern gebaut und ans Bistum Mainz vermietet ist. An Pastoralreferentin Martina Patenge und Pfarrer Walter Mückstein gerichtet sagte sie: "Wie heilvoll und einschneidend hilfreich haben ungezählte Menschen durch ihre Begleitung erfahren, dass sie von Gott geliebt sind und sich mit ihrer Lebensgeschichte auch selbst annehmen dürfen, wie sie sind. Die nachbarschaftliche Nähe hat auch uns Kreuzschwestern gutgetan."

Manches, was den Rochusberg zum heiligen Berg gemacht hat, gehört jetzt zur Geschichte: Nach dem Abschied von den Oblatenpatres nun also der Abschied vom Exerzitienhaus. Dieser Abschied sei auch schmerzlich, räumte Bischof Peter Kohlgraf ein. Zumal, wie er bei der Feier am Abend im Hildegard-Forum sagte, auch der Abschied der Missionsbenediktiner vom gegenüberliegenden Jakobsberg das Bistum "kalt erwischt" habe. Denn dem Jakobsberg und der Zusammenarbeit mit den Missionsbenediktinern war eine große Rolle zugedacht gewesen als zukünftiges geistliches Zentrum im Bistum Mainz.

Der Bischof hatte in seiner Predigt in der Rochuskapelle betont, Seelsorge sei "ein professioneller Dienst, der bestimmten Qualitätsstandards unterliegt, die nachprüfbar sein müssen. Guter Wille und Frömmigkeit sind sicher wichtig, aber genauso entscheidend sind Kompetenzen und Fachkenntnis. Und selbstverständlich ist das Leben der eigenen Glaubensgeschichte und Berufung als Grundhaltung eine unverzichtbare Grundvoraussetzung seelsorglicher Arbeit." 

Dr. Bernhard Deister, der bislang schon Teil des Teams auf dem Rochusberg war, wird nun als Leiter des  "Instituts für Spiritualität" mit seinem neuen Team die Aufgabe haben, geistliche Begleitung und Exerzitienarbeit im Bistum weiter und neu anzubieten. Dazu wurden Referent:innen für alle vier Regionen des Bistums benannt. Deister packte mit Sonja Knapp vom neuen Team einen "Erntekorb" für Mückstein und Patenge: mit Samentütchen für die leidenschaftliche Gärtnerin Patenge, mit gutem Wein, mit Symbolen fürs "Eingemachte" und "zum Reifen gebrachte".

Patenge, Kohlgraf, Mückstein
Martina Patenge, Bischof Peter Kohlgraf, Walter Mückstein Foto: Ruth Lehnen

Martina Patenge blickte dankbar zurück auf 41 Jahre im Dienst des Bistums, und erinnerte an Erfahrungen aus ihrer Anfangszeit bei Pfarrer Hermann-Josef Herd, in der Martinusschule Mainz, und an die vielen Jahre als Telefonseelsorgerin. Sie engagierte sich für die Rundfunkarbeit bei HR und SWR. Hervorgehoben wurden ihr Engagement für die ADDES (Arbeitsgemeinschaft der Diözesen für Exerzitien und Spiritualität). In der Meditationsarbeit habe sie gesehen, wie Menschen durch das Wirken des heiligen Geistes "wachsen und heilen". Sie fühle sich "wehmütig, neugierig und dankbar", sagte die Theologin, die aus den Händen des Bischofs die Urkunde "Dank und Anerkennung" erhielt.

Pfarrer Walter Mückstein, Leiter des Kardinal-Volk-Hauses, erinnerte ebenfalls an seinen Werdegang und seine Prägung durch die GCL (Gemeinschaft christlichen Lebens). Er war lange in der Schulpastoral tätig, dann in Dieburg in der Exerzitienarbeit und seit 1988 Leiter des Kardinal-Volk-Hauses und des Instituts fürGlaubensvertiefung und Spiritualität. Pfarrer Mückstein wird als Prediger in der Rochuskapelle dem Rochusberg weiter verbunden sein. Er tritt im Dezember in den Ruhestand und wird dann 45 Jahre im Dienst des Bistums Mainz tätig gewesen sein. Mehrere Mitarbeiterinnen aus Hausverwaltung und Küche haben andere Stellen gefunden oder sind wie Annette Lorenz jetzt im neuen Institut für Spiritualität tätig.

Wie es mit dem Gebäude in Nachbarschaft der Kreuzschwestern weitergeht, ist noch nicht klar. Zuletzt habe sich ein ernstzunehmender Mietinteressent gemeldet, heißt es.    
 

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Und: "Warum Spiritualität einen Ort braucht:

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Ruth Lehnen