Anfrage
Welcher ist der Berg der Verklärung?
In den Evangelien wird an diesem Sonntag wieder von der Verklärung auf einem Berg (oder einen großen Berg) erzählt, ohne einen Namen zu überliefern. Wann und warum wurde der (große) Berg zum Berg Tabor?
Es ist ein bisschen wie bei den Heiligen Drei Königen: Jeder kennt ihre Namen – obwohl keiner davon in der Bibel steht. Vergleichbar werden besondere religiöse Erfahrungen Tabor-Momente genannt (siehe auch Seite 7) – obwohl nichts vom Tabor in der Geschichte steht.
Tatsächlich gibt es noch nicht einmal konkrete Hinweise auf ihn. Die letzte feste Ortsangabe vor der Geschichte von der Verklärung lautet bei Markus und Matthäus Caesarea Philippi – und das ist sehr weit nördlich vom Tabor. Allerdings gibt es dazwischen die Zeitangabe „sechs (acht) Tage später“ – das wäre machbar. Bei Lukas findet die Verklärung im Umfeld des Sees Gennesaret statt; der liegt etwa 18 Kilometer östlich vom Tabor. Auch machbar.
Dass heute auf dem Tabor die „Kirche der Verklärung“ steht, fußt auf einer weit zurückliegenden Tradition. Etwa ab Mitte des 4. Jahrhunderts begannen sich die Christen intensiver dafür zu interessieren, wo genau Jesus was gemacht hat. Was die Verklärung betrifft, sprach sich Eusebius von Caesarea (gestorben um 340) für den Hermon aus, wohl weil der Hermon ganz in der Nähe von Caesarea Philippi liegt. Etwas später, im Jahr 348, kam der Jerusalemer Bischof Kyrill hingegen zu der Einsicht, dass es der Tabor gewesen sein muss. Vielleicht, weil der Tabor mit seiner Alleinlage inmitten einer Ebene einen so imposanten Eindruck macht. Und weil er schon weit früher als heiliger Berg betrachtet wurde und religiöse Kultstätte war.
Entscheidend war dann, dass der Kirchenvater Hieronymus (347-429) die Einschätzung Kyrills übernahm. Hieronymus hatte als Übersetzer der griechischen Bibel ins Lateinische (Vulgata) und auch als Landeskundler Palästinas einen enorm großen Einfluss auf die weitere Kirchengeschichte. Sein Name war Referenzpunkt – und am Tabor wurde nicht mehr ernsthaft gerüttelt. Nicht nur die heutige Verklärungsbasilika, sondern auch Ausgrabungen früherer Kirchen zeugen davon.
Von Susanne Haverkamp