"Wort des Bischofs" von Mainz, Peter Kohlgraf
Weltkirche als Reichtum sehen
Papst Franziskus empfing Bischof Peter Kohlgraf vor zwei Wochen in einer Privataudienz. Dabei ging es auch um den Synodalen Weg. Dessen Beratungen und Voten gut mit Rom zu besprechen, mahnt Kohlgraf im „Wort des Bischofs“.
Dass sich die katholische Kirche in einer beispiellosen Krise befindet, ist dieser Tage nicht zu übersehen. Heute kommen Themen auf den Tisch, die von einer langen Geschichte des Versagens zeugen. Viele Diözesen haben Studien zum sexuellen Missbrauch in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse nun zu Ernüchterung, Trauer, Wut und auch Abschied von der Kirche führen.
Dies widerlegt vielleicht ein wenig den Generalverdacht, die heutigen Bischöfe seien an Aufklärung und Aufarbeitung grundsätzlich nicht interessiert. Nach der MHG-Studie im Auftrag der Bischofskonferenz (veröffentlicht 2018), die die systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt durch Kleriker in Deutschland untersucht hat, wollten Bischöfe dann auch besser verstehen, was in der eigenen Diözese vorgefallen ist, um daraus Lehren für Prävention und Intervention ziehen zu können. Eine solche Studie ist auch für die Diözese Mainz in Arbeit. Rechtsanwalt Ulrich Weber und seine Kollegen sind mit den entsprechenden Gesprächen und Untersuchungen befasst. Mein Interesse ist dabei eigentlich ein anderes als das, was ich derzeit in der medialen Öffentlichkeit wahrnehme. Dort werden die Bischofspersönlichkeiten unter die Lupe genommen. Die Reaktionen bekommen ja alle mit. Mein und unser Interesse besteht hingegen darin, die spezifischen systemischen Probleme des Bistums Mainz zu verstehen – und so auch die Situation der Betroffenen, damit wir mit ihnen und für sie an der weiteren Aufarbeitung wirken können.
In dieser Zeit bin ich Bischof, und seit September auch Vorsitzender der Pastoralkommission der Bischofskonferenz. In dieser Aufgabe werden mich sicherlich die Themen des Synodalen Weges intensiv beschäftigen, der sich um die notwendigen Konsequenzen aus dem systemischen Versagen bemüht. Es ist bekannt, dass „Rom“ und auch Teile der Weltkirche diesen deutschen Prozess kritisch verfolgen. Wer ehrlich ist, sieht aber doch, dass wir Veränderung brauchen, und auf dem Synodalen Weg suchen wir nach geeigneten Schritten. Dabei ist die Kommunikation mit Rom, besonders auch mit dem Heiligen Vater, nicht immer gelungen. Zu dieser Kommunikation wollte ich einen Beitrag leisten, als ich vor zwei Wochen Papst Franziskus in einer Privataudienz begegnen durfte. Ich konnte ihm von meinen Erfahrungen als Bischof berichten, von meiner Einschätzung des Synodalen Weges, und ich konnte auch offen ansprechen, in welcher Situation sich die katholische Kirche in Deutschland derzeit befindet. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, dem Papst Perspektiven zu zeigen, die das ihm bisher Bekannte ergänzen. Ich habe ihn jedenfalls als gut informiert, zuhörend, aber auch kritisch fragend erlebt. Alle unsere Beratungen und Voten auf dem Synodalen Weg werden in guter Weise mit dem Papst und den Verantwortlichen auf der Ebene der Weltkirche besprochen werden müssen. Bei allen Anfragen an „Rom“: Wir dürfen auch nicht verlernen, die Weltkirche als Reichtum zu sehen. Ich bin dem Heiligen Vater jedenfalls für seinen Dienst an der Einheit dankbar. Und gerne gebe ich seine dringende Bitte weiter, für ihn zu beten. Das habe ich ihm versprochen, und lade auch Sie dazu ein. Und vielleicht gibt es dann noch etwas Raum auch für ein Gebet für Ihren Bischof, der Sie herzlich grüßt.
Ihr Bischof Peter Kohlgraf