Wie es ist der einzige Christ in der Familie zu sein

Wenn Gott nicht fehlt

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Der Autor und Theologe Matthias Kleiböhmer
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Foto: privat

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Fehlender Glaube des Partners oder Partnerin – für Matthias Kleiböhmer Last und Chance zugleich.

Die Lesung berichtet wie es Paulus schmerzt, dass seine jüdischen Mitmenschen nicht an Jesus glauben. Matthias Kleiböhmer hat ein Buch für Menschen geschrieben, die heute als Gläubige in einer nichtgläubigen Familie leben.

Am Anfang stand die Verwunderung. 2020 hat Matthias Kleiböhmer im Internet eine Predigt darüber gehalten, wie es ist, der einzige Christ in der Familie zu sein. „Das war die Predigt, auf die ich am meisten Resonanz bekommen habe.“ Etliche Menschen richteten sich mit eigenen Erfahrungsberichten und Nachfragen an ihn. „Das waren zwar nicht immer Leidensgeschichten.“

Doch gemerkt habe er dabei schon, die Trennung im Glauben „kann ein Paar, eine Familie durchaus auseinanderbringen. Also wollte ich den Leuten ein Buch zum Thema empfehlen, aber dazu habe ich auf dem großen christlichen Buchmarkt nichts gefunden. So kam mir die Überlegung, dieses Buch selbst zu schreiben“, erzählt Kleiböhmer. Im April dieses Jahres ist Kleiböhmers „Sonntagsmorgensingle“ erschienen. Herausgekommen ist dabei nicht nur ein oft persönliches, sondern zugleich auch theologisch fundiertes Buch – mit einer wunderschönen Liebeserklärung gleich zu Beginn. 

Sonntagsmorgens sitzt er meist allein in der Kirche

Kleiböhmer weiß, wovon er spricht. Der evangelische Theologe organisiert für die Stiftung Creative Kirche zahlreiche christliche Großveranstaltungen wie etwa den Internationalen Gospelkirchentag, immerhin Europas größtes Gospelfestival. Während der Coronapandemie hat er die sogenannten Wohnzimmergottesdienste auf YouTube ins Leben gerufen. Mehr als 100 geistliche Videos hat Kleiböhmer dort inzwischen veröffentlicht. 

Matthias Kleiböhmer "Sonntagmorgensingle"
Foto: Gütersloher Verlagshaus

Verheiratet aber ist der gläubige Christ seit gut zwölf Jahren mit einer atheistischen Naturwissenschaftlerin und Redakteurin. Auf diese Diskrepanz spielt auch Kleiböhmers Buchtitel „Sonntagmorgensingle“ an. Denn Sonntagsmorgens sitzt der zweifache Vater meist allein in der Kirche, ohne Frau und Kinder. 

Gleichwohl weiß der 47-Jährige, dass der fehlende Glauben des Partners oder der Partnerin nicht nur Last sein muss, sondern die Chance beinhaltet, „einer Beziehung mehr Tiefgang zu verleihen“. So hätten ihm beispielsweise die kritischen Fragen seiner Frau geholfen, „selbst im Glauben zu wachsen“. Früher, erzählt der Theologe, habe er sich auch gerne mal hinter den Aussagen geistlicher Autoritären versteckt.

Kleiböhmer empfiehlt Paaren, die im Glauben getrennt sind, das offene Gespräch. Über ihre Werte, Erwartungen, Hoffnungen. Aber auch Alltagsvorlieben. Denn neben jeder Spontanität und Liebe möchte so ein Familienleben auch geplant und organisiert sein. So stelle sich spätestens bei der Hochzeit „die Frage, kirchlich heiraten oder nicht?“

Genau solchen Anlässen geht Kleibböhmer in seinem Buch nach. Etwa dem Umgang mit christlichen Feiertagen oder der Kindertaufe, dem Religionsunterricht an der Schule. Für alles liefert er in seinem Buch mögliche Lösungen. Und für all diese Fragen hat das Paar Kleiböhmer offenbar auch selbst Kompromisse gefunden. 

Etwa beim Gebet mit den Kindern: Das haben wir „so gelöst, dass wir die Kinder abwechselnd ins Bett bringen. Ich bete mit den Kindern, meine Frau nicht. Für die Kinder ist das, meiner Beobachtung nach, kein Widerspruch“, schreibt Kleiböhmer. Bei der Taufe entschied das Paar, dies den Kindern selbst zu überlassen. „Eine bewusste Entscheidung ist viel tragfähiger“, argumentiert Kleiböhmer. Zudem lasse sich „Säuglingstaufe biblisch kaum belegen oder theologisch herleiten.“ Doch das alles sind für Kleiböhmer eher Symptome, wie er sagt: „Die grundsätzlichen Fragen reichen viel tiefer.“

Und tatsächlich schimmert in Kleiböhmers Buch auch Schmerz durch. Ähnlich wie beim Apostel Paulus, der im Römerbrief, in der heutigen Sonntagslesung schreibt: „Unablässig leidet mein Herz“. Während Paulus sich vor allem um das Seelenheil seiner nichtchristlichen Landsleute im Jenseits sorgt, vermutet Kleiböhmer, dass Menschen ohne den Glauben an Gott oder eine höhere Macht eine wichtige Dimension im diesseitigen Leben fehlt, die er jedoch habe. „Glauben bedeutet ja auch Trost“, sagt Kleiböhmer. So stünden Christen Tod und Trauer am Ende „eben nicht sprachlos gegenüber. „Wir haben eine Art Erste-Hilfe-Paket, wenn es richtig schwer wird.“ 

„Tiefe Verbundenheit zu meiner Frau gespürt“

Daher leidet auch Kleiböhmer. Der größte Schmerz für ihn sei es, dass er seine eigene Freude und Erfahrungen im Glauben mit seiner Frau nie teilen kann. In seinem Buch schreibt Kleiböhmer: „Und so kann es passieren, dass zwei Menschen, die ein ganzes Leben teilen, nebeneinandersitzen und doch in verschiedenen Welten sind. Der eine erlebt überraschend einen der wenigen und deshalb wertvollen Momente der Nähe Gottes … Er spürt, wie ihn der Heilige Geist berührt und eine jahrelange Last von seinen Schultern nimmt. … und der Mensch neben ihm faltet ein Bonbonpapier, während er verstohlen auf die Uhr blickt.“ 

Trotz der Unterschiedlichkeit hat der Theologe seine Ehe nie in Frage gestellt. „Ich habe immer eine tiefe Verbundenheit zu meiner Frau gespürt, bereits lange bevor wir als Paar zusammengekommen sind.“ Auf die Frage, was denn Liebe sei, antwortet Kleiböhmer ohne jedes Zögern: „Vertrautheit, Entscheidung und Leidenschaft.“ 

Dann erzählt er von den Werten, die seine Frau und er teilen: „Zuverlässigkeit, Treue, und die Art wie wir mit Geld umgehen. Dass wir beide nicht so sehr auf Konsum setzten, dass es uns dafür wichtiger ist, nachhaltig zu leben.“ Zudem streite sich das Paar nie über Erziehungsfragen. „Das Gesamtpaket stimmt einfach.“ Am Schluss spricht Kleiböhmer – wie zu Beginn seines Buches – wieder über die Liebe, die eben auch bedeute, einen Menschen insgesamt anzunehmen. „In guten wie in schweren Zeiten. Mit allen guten und vielleicht weniger guten Eigenschaften."

Matthias Kleiböhmer: Sonntagmorgensingle - Wie es ist, der einzige Christ in der Familie zu sein, Gütersloher Verlagshaus, 192 Seiten, 18 Euro

Andreas Kaiser