Die Brotrede und die Eucharistie

Wer dieses Brot isst

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Mit dem heutigen Sonntag endet die große Brotrede Jesu. Darin legt er dar, wie das ist mit Brot und Wein und Fleisch und Blut. Begeistert sind die Leute nicht. Auch heute noch scheiden sich an der Eucharistie die Geister.

Ein Priester teilt Hostien aus einem goldenen Kelch aus.
Eine wichtige Frage: Was ist der zentrale Inhalt des Abendmahls?

Von Susanne Haverkamp

Das Johannesevangelium ist an vielen Stellen ganz anders als die Bücher von Matthäus, Markus und Lukas. Einer der wichtigsten Unterschiede: Bei Johannes gibt es im Abendmahlssaal keine Einsetzungsworte. Es gibt kein Brot und keinen Wein; stattdessen gibt es die Fußwaschung und eine lange, lange Abschiedsrede. In ihr spricht Jesus über die Liebe, über den bevorstehenden Abschied und das Kommen des Geistes, aber auch hier kein Wort über Brot und Wein.

Die gesamte Lehre über die Eucharistie verlegt Johannes nach vorne, ins 6. Kapitel. In der Synagoge von Kafarnaum spricht er ausführlich darüber. Und nimmt dabei, wie in einer Synagoge üblich, Bezug auf die jüdische Geschichte. Etwa auf das Manna, das besondere Brot, das Gott schenkte, als das Volk auf seiner Wüstenwanderung hungerte.

Aber dann kommt er doch zu steilen Thesen: „Ich bin das Brot des Lebens, das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.“ Und als die Zuhörer in der Synagoge murren, da wird es noch steiler: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ Und: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.“ (Johannes 6,54)

Der Satz ist für Juden ein Skandal. Und er ist, ja, ekelerregend. Heutige Dschungelcamp-Prüfungen sind nichts dagegen. Menschenfleisch und Menschenblut – das ist tabu. Und wenn Sie mal versuchen, diesen Satz nicht mit Ihren christlich gewaschenen Ohren zu hören, sondern ganz neutral, dann werden Sie das auch nachvollziehen können.

Kein Wunder also, dass das geschieht, was als heutiges Sonntagsevangelium auf dem Plan steht: „Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“ Und: „Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher.“

Bei Johannes ist die Eucharistie die große Spaltungslehre. Was Jesus über die Nächstenliebe sagt, über Barmherzigkeit, auch die Zeichen, die er tut: All das ist anschlussfähig im jüdischen Glauben. Auch die Propheten des Alten Testaments predigten Nächstenliebe und Barmherzigkeit und auch Propheten taten Zeichen und Wunder. Aber keiner gab den Menschen sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken und erklärte das auch noch als heilsnotwendig.

Wer es nicht glaubt, kann ja weggehen

Das Evangelium des Johannes entstand Ende des 1. Jahrhunderts. Die endgültige Trennung von Judentum und Christentum war vollzogen. Die Christengemeinden trafen sich am Herrentag zum Herrenmahl. Und sie glaubten, dass dabei Jesus mitten unter ihnen ist: in Brot und Wein, in dem sie Fleisch und Blut des gekreuzigten Christus erkennen.

Jetzt könnte man sagen: Na, dann ist für Christen ja alles klar! Ist es aber nicht und war es nie. An der Eucharistie schieden und scheiden sich die Geister. Denn dass das mit dem Fleisch und dem Blut irgendwie bildlich gemeint ist und keineswegs zum Kannibalismus auffordert, ist ja irgendwie augenfällig. Ist nicht also vielmehr das „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lukas 22,19) der zentrale Inhalt des Abendmahls? Oder wie Paulus es zitiert: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (1 Korinther 11,25). Ein Erinnerungs- und Gedächtnismahl also?

Debatten darum, wie das denn nun zu verstehen ist, gab es immer und die Debatten waren harsch. Das beste Zeichen dafür ist, dass irgendwann die Kirchenleitung der Meinung war, eine Lehre zum Dogma erheben zu müssen. Kein Mensch hat zum Beispiel je die Auferstehung dogmatisiert oder die Existenz Gottes. Sehr wohl aber war man der Meinung, in Sachen Eucharistie endlich richtig und falsch definieren zu müssen. 1215, auf dem Vierten Laterankonzil, war es, als die sogenannte Transsubstantationslehre erstmals definiert wurde. 

Das Konzil von Trient hat sie noch einmal eingeschärft: „Durch die Konsekration von Brot und Wein geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes.“ Ausdrücklich als Abgrenzung zum neu entstandenen Protestantismus wird das definiert. Wer es nicht glaubt, kann ja weggehen. 

Es ist tragisch, dass die Eucharistie, das Sakrament der Einheit, bis heute so viel Spaltung hervorgerufen hat. Zumal schon im Neuen Testament deutlich wird, dass das Entscheidende beim gemeinsamen Mahl eher nicht die Dogmatik ist. Paulus etwa kritisiert im Brief an die Korinther ihr unwürdiges Verhalten bei der Mahlfeier: Die einen sind schon satt, während andere hungern, Arm und Reich essen nicht zusammen. Das kann nicht der Sinn der Feier sein. „Wenn ihr also zum Mahl zusammenkommt, meine Brüder und Schwestern, dann wartet aufeinander.“ Klingt eher praktisch als hochtheologisch. 

„Herr, zu wem sollen wir gehen?

Das „Mahl des Herrn“ wird in der Apostelgeschichte und den Briefen oft erwähnt. Vom Mahl (vorübergehend) ausgeschlossen zu sein, war von Anfang an die schwerste Strafe. Nie ging es dabei aber um dogmatische Streitigkeit, sondern um Totschlag, Ehebruch oder die Teilnahme an heidnischen Ritualen.

Im Johannesevangelium scheiden sich an der Brotrede Jesu die Geister, viele verlassen die Gruppe. „Wollt auch ihr gehen?“, fragt Jesus die zwölf Apostel. Die Antwort des Petrus ist eindeutig: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“ 

Die Frage ist aktueller denn je. Viele wollen gehen. Manche, weil ihnen weder die Worte Jesu noch sein Mahl etwas bedeuten. Andere, weil sie nicht ertragen, wie viele von eben diesem Mahl ausgeschlossen sind. Und damit von dem Versprechen Jesu: „Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“ (Johannes 6,58)