Interview mit Jugendbischof Stefan Oster zum Weltjugendtag
"Wer hier weggeht, wird kein Nationalist"
Eine Woche lang war das kleine Panama der Nabel der katholischen Welt. Unter den rund 150.000 vor allem jungen Menschen waren auch etwa 2.300 aus Deutschland. Begleitet wurden sie vom Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz, Stefan Oster. Im Bilanzinterview spricht der Passauer Bischof über Völkerverständigung, Umweltschutz und mediale Oberflächlichkeit.
Der Weltjugendtag in Panama ist Geschichte. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Was mich beeindruckt hat, war die unglaubliche Freude, mit der die Panamaer diesen Weltjugendtag ausgerichtet haben. Ihr Engagement war wirklich überall zu spüren. Sie haben es genossen, dass ihr kleines Land dieses aus ihrer Sicht "Weltereignis" ausrichten durfte. Die Jugendlichen waren begeistert von der Gastfreundschaft, nicht nur hier in der Stadt, sondern auch draußen auf dem Land. Bemerkenswert auch die Art und Weise, wie Papst Franziskus mit den Jugendlichen umgegangen ist, und seine Fähigkeit, auf sie einzugehen und mit ihnen kommunizieren zu können. Und es ist beeindruckend zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit die jungen Menschen hier ihren Glauben leben und ausdrücken.
Gibt es ein Beispiel, an dem Sie das festmachen können?
Wenn Sie die Adveniat-Projekte sehen, auf die sich die Jugendlichen eingelassen haben. Die aidskranken Indigenen, der Umweltschutz, die Migrationsfragen. Zu alledem hat Adveniat konkrete Projekte, in denen man sich einbringen und seinen Glauben aktiv leben kann. Das war ein Fest der Völkerverständigung. Wer hier weggeht, der wird kein Nationalist. Er mag ein Patriot sein können, der seine Heimat liebt, aber er wird kein ausgrenzender Nationalist sein, nachdem er mit Jugendlichen aus 150 Ländern dieser Welt zusammen gewesen ist und Zeit verbracht hat.
Ist der Umweltschutz eines der Schlüsselthemen der Kirche für die Zukunft?
Auf jeden Fall eines der Schlüsselthemen. Der Papst sagt immer, kümmert Euch um die Armen und um die Erde, die leidet und blutet. Das ist ohne Frage ein Zukunftsthema der Menschheit und damit der Kirche. Und die Jugendlichen nehmen dies sehr engagiert auf, es treibt sie an.
Das Thema Migration hat ebenfalls einen breiten Raum eingenommen. Die Millionen Venezolaner, die auf der Flucht sind. Die Krise in Nicaragua. Die Flüchtlingskarawanen aus Mittelamerika und schließlich die Mauerpläne von Donald Trump. Wie haben die Jugendlichen das hier diskutiert?
Sehr engagiert und im Sinne des Papstes, der ja eine eindeutige Haltung zu diesem Thema hat. Die Worte, die Franziskus nennt, sind immer: aufnehmen, schützen, integrieren. Und das alles auf Augenhöhe. Der Papst hat ja gesagt, Ihr seid die Protagonisten und Künstler einer Kultur der Begegnung. Ich meine damit nicht Internet-Freundschaften bei Facebook oder Ähnliches, sondern wirklich von Herz zu Herz und auf Augenhöhe.
Ist der Weltjugendtag in Zeiten von Sozialen Netzwerken noch zeitgemäß, wo Selbstdarstellung über allem steht?
Gerade dann, wenn es gelingt, eine Kultur des Zuhörens, des Aufeinandereingehens zu erzeugen, dann ist er im Zeitalter der medialen Oberflächlichkeit ein ganz wichtiges Zeichen. Ich wünsche allen Jugendlichen, dass sie das mitnehmen, dieses dem anderen Zuhören und sich erst dem anderen zu öffnen. Der Oberflächigkeit kann der Weltjugendtag eine Kultur der Begegnung entgegensetzen.
Ihre Äußerung im Rahmen des Youth Hearings, dass die Verwendung von Kondomen nicht grundsätzlich falsch sei, hat für Aufsehen gesorgt. Können Sie das nochmals erläutern?
Es besteht aus meiner Sicht die oberflächliche Meinung, die Kirche verbiete immer und unter allen Umständen Kondome. Dabei vergisst man, dass sich diese Debatte über Verhütung eigentlich auf die Sexualität in einer Ehe bezieht, denn das ist für die Kirche der einzig legitime Ort dafür. Wenn sich jemand entscheidet, außerhalb der Ehe sexuell aktiv zu sein und eventuell sogar promiskuitiv, dann entscheidet er sich also gegen die Lehre der Kirche. Und dann soll er angeblich auf Verhütung verzichten. Das wäre absurd. Wenn ich zum Beispiel jemandem begegne, der an Aids erkrankt ist, aber sich entscheidet, weiterhin viele Geschlechtspartner zu haben, dann muss ich ihm doch sagen: Schütze dich und schütze vor allem den anderen. Primär glaubt die Kirche aber, dass Treue in der Ehe und Enthaltsamkeit außerhalb davon der beste Weg ist, um etwa die Ausbreitung von Aids zu verhindern und nicht zuerst Kondome.
kna