Wer hilft, bleibt glaubwürdig
Vor vier Jahren wurde aus mehreren Caritasverbänden in den drei Bundesländern des Nordens die „Caritas im Norden“ gegründet. 2 000 Menschen sind bei ihr beschäftigt. An der Spitze gab es jetzt erstmals einen Wechsel.
Thomas Keitzl ist neuer Diözesancaritasdirektor im Erzbistum Hamburg. Er wurde jetzt von Erzbischof Stefan Heße ernannt. Ein Neuling ist Keitzl aber nicht. Er war Verwaltungsleiter
und später Direktor der Caritas Mecklenburg und nach Gründung der überregionalen „Caritas im Norden“ zweiter Mann im Vorstand. Der Wechsel erfolgte, nachdem Steffen Feldmann im April in den Vorstand des Deutschen Caritasverbandes gewählt wurde. Eines der Anliegen des neuen Diözesanchefs ist es, das Zusammenwachsen der Regionen im großen Verband weiter zu unterstützen. Die Hauptaufgabe der Caritas aber liegt in der Arbeit vor Ort: auf der Grundlage des Glaubens Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
Ein Thema bewegt im Moment alle: Der Krieg in der Ukraine, die Kriegsflüchtlinge, die Situation vor Ort. Die Caritas im Norden ist schon seit Jahrzehnten mit Partnern in der Westukraine verbunden. Was tun Sie im Moment?
Gerade in der vergangenen Woche war unser Kollege Mathias Thees mit einem Hilfstransport in der Ukraine. Er kann von der beklemmenden Situation berichten, die dort herrscht. Unsere Partner aber sind dankbar dafür, dass wir persönlich da waren. Und sie sind dankbar für unsere gezielte Hilfe. Wir haben vorher gefragt, was gebraucht wird, genau das auch geliefert; und das ist sehr gut angekommen. Wegen der vielen Spenden, die wir erhalten haben, können wir unsere Aktivitäten sogar noch intensivieren – mit weiteren Hilfen für die Menschen in der Westukraine, aber auch für die Geflüchteten in Deutschland.
Wird der Ukraine-Krieg und seine Folgen eine Aufgabe für die nächsten Jahre bleiben?
Das lässt sich im Moment schwer einschätzen. Es ist auch zu beobachten, dass eine erhebliche Zahl von Flüchtlingen inzwischen wieder in die Ukraine zurückgegangen ist. Anders als Flüchtlinge aus anderen Ländern sehen viele Ukrainer Deutschland nur als Zuflucht für den Übergang. Sie möchten so schnell wie möglich wieder nach Hause.
In Deutschland kann man beobachten: Die katholische Kirche befindet sich in der Dauerkrise, sie ist für viele Menschen kaum noch glaubwürdig, aber die Caritas scheint davon gar nicht berührt zu sein. Sehen Sie das auch so?
Den Eindruck kann man teilen, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Wir haben intern zwar auch einige Probleme zu bearbeiten; nach außen hin aber sind wir von der Krisenstimmung wenig betroffen. Was aber leider auch daran liegt, dass viele Menschen im Norden Caritas und Kirche nicht miteinander verbinden oder gleichsetzen.
Was hat die Caritas, was der Rest der Kirche nicht hat? Was macht Sie in Ihrer Arbeit so glaubwürdig?
Ich glaube, das liegt daran, dass wir Menschen direkt vor Ort und häufig auch in existentieller Not helfen. Sei es bei Suchtproblemen, bei familiären Krisen oder in finanzieller Not. Dazu kommt, dass unsere Kolleginnen und Kollegen die Menschen in ihrer Situation ernst nehmen – und dass sie persönlich dafür stehen, was sie tun. Trotzdem: Kirche ohne Caritas geht nicht, und Caritas ohne Kirche geht auch nicht. Wir gehören zusammen. Und gerade das christliche Menschenbild ist das, was uns leitet.
Viele sagen: Caritas müsste auch verkündigen, missionarisch tätig werden, Kirche sichtbar werden lassen. Geht das?
In diese Fragen ist in den letzten Jahren auch viel Bewegung gekommen. Für uns ist klar: Das Missionarische steht nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht die Hilfe für Menschen. Auf der anderen Seite ist es für uns natürlich wichtig, dass in unseren Einrichtungen der christliche Geist gelebt wird. Was uns ausmacht, das soll in unserer Arbeit auch deutlich werden. Nur: Dass jemand getauft ist, ist nicht unbedingt ein Garant dafür, dass das gelingt. Auch Ungetaufte können in ihrer Arbeit christlichen Geist vermitteln. Das erfordert aber eine Begleitung. Man muss den Leuten näherbringen, worin dieser Geist und dieser Glaube besteht. Das tun wir unter anderem durch unsere Caritas-Pastoral.
Im Erzbistum Hamburg wird überall gespart, vor allem der Gebäudebestand soll abgebaut werden. Berührt das auch die Caritas im Bistum?
Das Sparen ist für uns auch ein Thema. Wir kommen als „Caritas im Norden“ aus einer schwierigen Situation. Aber nach der Fusion ist es gelungen, die Finanzen zu konsolidieren und uns besser aufzustellen. Was uns aber dauerhaft beschäftigt, sind die steigenden Personal- und Sachkosten bei gleichbleibenden Zuwendungen von öffentlichen Geldgebern. Da entstehen Lücken, die wir ausgleichen müssen.
Die Aufgabe von Häusern ist aber nicht in Sicht?
Berührungspunkte gibt es da, wo wir Immobilien nutzen, die dem Erzbistum oder Pfarreien gehören, also etwa die Familienferienstätte St. Ursula in Graal-Müritz oder das Schloss Dreilützow. Bei den Immobilien im Besitz der Caritas sind derzeit keine Reduzierungen geplant.
Ein Blick in die Zukunft: Was möchten Sie als Caritasdirektor in den nächsten Jahren gern auf die Beine stellen?
Ganz wesentlich für mich: die Zusammenlegung der regionalen Verbände zu vollenden. Nach der Fusion von 2018 ist noch einiges zu tun, damit wir zusammenwachsen und wirklich „eine“ Caritas im Norden werden. Ich wünsche mir, dass wir die Mittel haben, neue und innovative Projekte anzustoßen – und dass wir ein guter Arbeitgeber mit zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind.
Was wäre zum Beispiel ein neues, innovatives Wunschprojekt Ihrer Wahl?
Eine Sache, die für uns relativ neu ist, ist das Projekt „Young Caritas“. Es geht darum, junge Menschen für ehrenamtliche Dienste zu gewinnen, sie an die Caritas zu binden – auch mit dem Hintergrund, dass wir so auch dem steigenden Fachkräftemangel begegnen können.
Interview: Andreas Hüser