Wie kann man Verschwörungstheorien kontern?

Widerstand gegen Fake News

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In Krisen wie der Corona-Pandemie verbreiten sich Verschwörungsmythen rasend schnell. Die Journalistin Ingrid Brodnig erklärt in ihrem Buch „Einspruch!“, warum das gefährlich ist und was wir dagegen tun können.

Ein Mann hält bei einer Demonstration ein Plakat hoch. Darauf steht "Corona ist kein Killervirus".
Alles halb so wild? Ein verharmlosendes Plakat bei einer Demonstration im August 2020 in Berlin

Von Andreas Lesch 

Ingrid Brodnig berichtet von einem jungen Mann, dessen Mutter dem Verschwörungsmythos von QAnon glaubt. Die Mutter ist überzeugt davon, dass in Tunneln Kinder gefangen gehalten und misshandelt würden. Und sie lehnt es in der Corona-Pandemie ab, eine Maske zu tragen. Einmal, so hat der Mann erzählt, habe seine Mutter vor seinen fünf Jahre alten Zwillingen zu schreien begonnen und gesagt, sie gehe lieber ins Gefängnis, als eine Maske zu tragen. Das habe die Kinder aufgewühlt: „Die konnten gar nicht schlafen, weil sie Angst hatten, die Oma wird verhaftet.“ Da hat er seiner Mutter klar gesagt: „Das kannst du nicht machen. Du kannst nicht den Kindern Angst einjagen.“ Zumindest das habe sie gehört.

Mit Beispielen wie diesen zeigt die österreichische Journalistin Brodnig, wie bedrückend es sein kann, im Familien- und Freundeskreis mit Verschwörungsmythen konfrontiert zu werden. Und wie mühsam und wichtig es ist, dagegen anzugehen. In ihrem neuen Buch „Einspruch!“ erklärt sie, wie man Mythen und Fake News kontern kann. Ihr Buch ist höchst lesenswert, und es passt perfekt in die Zeit. Denn viele erleben gerade, dass Eltern, Nachbarn oder alte Studienfreundinnen plötzlich Unwahrheiten verbreiten, Fakten ablehnen und finstere Mächte am Werk wähnen.   

Faktenchecks können Halbwahrheiten entlarven 

In Krisen wie der Corona-Pandemie verbreiten sich Verschwörungserzählungen besonders schnell. Weil die Pandemie ein Reizthema ist und die Gesellschaft sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befindet. Verschwörungsmythen liefern da eine scheinbar schlüssige Erklärung für eine unübersichtliche Wirklichkeit. Wer an eine Verschwörung glaubt, fühlt sich nicht mehr machtlos – sondern denkt, er gehöre zu den wenigen, die durchschaut haben, was läuft. 

Das sei problematisch, betont Brodnig: „Unsere Demokratie baut darauf auf, dass Menschen möglichst gut informierte Entscheidungen treffen.“ Dafür müssen die Menschen wissenschaftliche Erkenntnisse ernst nehmen – und dürfen nicht Lügen und Halbwahrheiten glauben.

Was aber können wir tun, wenn wir in der Whatsapp-Gruppe unseres Kartenclubs oder beim Telefonat mit der Tante auf Verschwörungserzählungen stoßen? Die Journalistin Brodnig, die sich seit Jahren mit Desinformation und Hasskommentaren beschäftigt, beantwortet diese Frage klar und konkret. Sie rät etwa, wenn Freunde in Whatsapp-Gruppen Falschmeldungen verbreiten, im ersten Schritt nicht in der Gruppe die Aussage zu korrigieren, sondern der Person privat zu schreiben. Das kann es erleichtern, dass sie zurückrudert.

Wertvoll, erläutert Brodnig, könnten auch Faktenchecks sein – wenn das Gegenüber bereit ist, den Fakten zuzuhören. Oft aber ist das nicht so. Denn wir Menschen tun uns schwer damit, Informationen aufzunehmen, die nicht in unser Weltbild passen. Und Fakten sind meist spröde, Verschwörungserzählungen hingegen packen viele emotional.

Viele Debatten, so Brodnig, entgleisen, bevor das erste Argument ausgetauscht ist. Kein Wunder: Wer mit Verschwörungserzählungen konfrontiert ist, fühlt sich leicht vor den Kopf gestoßen. Da reizt es, mit Spott zu reagieren: „Bitte nimm den Aluhut ab!“ Aber das führt zu nichts. Brodnig betont, es sei wichtig, dem Gegenüber wertschätzend zu begegnen; aber auch, klar zu widersprechen, besonders wenn Behauptungen rassistisch, antisemitisch, demokratiefeindlich sind: „Diskutieren kommt einem Drahtseilakt gleich.“

Manche behaupten, die Klimakrise sei eine Erfindung 

Dieser Drahtseilakt kann gelingen. Indem man Verschwörungsgläubige auf Logikfehler in ihren Behauptungen hinweist. Oder nachfragt, wenn sie Fakten aus dem Zusammenhang reißen. Oder ihnen mit Vergleichen zeigt, wenn sie schief argumentieren. Wer etwa sagt, er fühle sich durch das Masketragen in seinen Freiheitsrechten eingeschränkt, der müsste bei der Polizeikontrolle auch sagen: „Sie können mich nicht davon abhalten, betrunken Auto zu fahren, das schränkt meine Freiheitsrechte ein!“

Brodnig empfiehlt, pragmatisch zu überlegen, wann es sinnvoll ist zu diskutieren und wann nicht. Wie viel Zeit man investieren und welches Ziel man erreichen möchte. Und sie rät, gelassen zu bleiben. So schwer das auch ist, wenn die Mutter die Existenz von Viren abstreitet oder der Vater glaubt, die Klimakrise sei eine Erfindung. 

Jeder Einzelne, betont Brodnig, könne einen Beitrag zu unserer Debattenkultur leisten. Und schon kleine Fortschritte seien wichtig: „Manchmal ist es bereits ein Erfolg, wenn man auch nur den Hauch eines Zweifels bei einer Person sät.“
  
Ingrid Brodnig: Einspruch. Brandstätter Verlag. 160 Seiten. 20 Euro.