Anfrage
Wie fehlbar oder unfehlbar ist der Papst?
In einem Interview sagte Papst Franziskus über sich selbst „Ich bin fehlbar!“ Müsste dann nicht das Dogma der Unfehlbarkeit aufgehoben werden? E. G., Berlin
So viel gleich vorab: Nein, müsste es nicht. Was einerseits der Papst im Interview mit seiner Fehlbarkeit und andererseits das Dogma von der Unfehlbarkeit meinen, bezieht sich auf ganz verschiedene Dinge.
Im Dogma von der Unfehlbarkeit geht es um sehr seltene Momente. Seit seiner Verkündigung 1870 kam es genau einmal zur Anwendung, nämlich als Papst Pius XII. das Dogma von der „Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“ verkündete. Der Vorgang ist ein Paradebeispiel dafür, was Unfehlbarkeit meint: nicht eine eigenmächtige Entscheidung eines Papstes, sondern eine amtliche Verkündigung dessen, was die Kirche in ihrer Gesamtheit immer schon glaubt. So hat es auch das Zweite Vatikanische Konzil in der Kostitution „Über die Kirche“ bestätigt: „Die Gesamtheit der Gläubigen ... kann im Glauben nicht irren ..., wenn sie von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert“ (Lumen Gentium 12).
Entsprechend wurden im Vorfeld des Dogmas die Bischöfe der Welt über den Marienglauben in ihren Diözesen befragt,
und sie bestätigten, dass der Glaubenssatz von der Aufnahme in den Himmel feste Überzeugung des Kirchenvolkes sei, und bejahten fast einstimmig die Dogmatisierung dieser altkirchlichen Tradition. Als der Papst das dann für die Gesamtkirche verkündete, handelte er „ex cathedra“, also unfehlbar.
Fehlbar ist er hingegen wie jeder Mensch in allen anderen Lebensbereichen: in Personalentscheidungen oder persönlichen Konflikten; in politischen Einschätzungen oder auch in komplexen theologischen Fragen – deshalb setzt Franziskus auf Experten, auf Synoden, auf Beratung. Unfehlbarkeit hat nichts mit Eigenmächtigkeit oder Besserwisserei zu tun.
Lehramtlich wichtig sind Papstaussagen dennoch. Je nach Art der Aussagen (Interview, Predigt, Enzyklika) unterschiedlich wichtig. Und in aller Regel trotzdem fehlbar.
Von Susanne Haverkamp