Verschiedene Arten des Glaubens

Wie glauben Sie?

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Wer zur Kirche geht, sagt meist von sich: „Ich bin ein gläubiger Mensch.“ Aber was heißt das? Gibt es eine Idealform von Glauben? Die Lesungen des Sonntags geben darauf ganz unterschiedliche Antworten.

Eine Frau betet in der Kirche. Foto: kna/Corinne Simon/CIRIC
Eine gläubige junge Frau. Aber auf welche Art glaubt sie wohl?

Glauben ist nicht gleich glauben. Das war schon zu biblischer Zeit so. Wie man exemplarisch an den drei Lesungen dieses Sonntags sehen kann.

Der Zeitgenosse: skeptisch und ein bisschen blamiert

Die Zeitgenossen Jesu hatten es nicht leicht. Wie soll man das glauben, diese unfassbare Botschaft von der Auferstehung? Dass einer wieder da ist, den man sterben gesehen hat? Wir Christen 2000 Jahre später haben uns an diese Botschaft so sehr gewöhnt, dass sie uns ganz normal vorkommt. Aber als Zeitzeuge? Ich kann die Skepsis des Thomas gut verstehen. Zumal eine gesunde Skepsis ja ein positiver Wert ist.

Wir können doch nicht alles glauben, was uns medial oder auch persönlich vorgegaukelt wird. Der Enkeltrick lässt grüßen – jetzt auch mit Corona-Variante: „Hallo Oma, ich bin's; ich bin in Quarantäne und brauche dringend Geld ...“ Wohl dem, der da skeptisch ist. Und für all die Fake-News und Verschwörungstheorien im Internet gilt das mindestens genauso.

Und im Glauben? Da gilt es, meine ich, auch, sonst wird er leicht zum Aberglauben. Oder man bleibt im Kinderglauben stecken. Der Hauptgrund, weshalb ich Theologie studiert habe, war, dass ich wissen wollte, ob das eigentlich alles stimmt, was unser alter Pfarrer uns so erzählt. Ich hatte da meine Zweifel ... 

Ich bin also eine großer Anhängerin des Glaubens à la Thomas: fragen und hinterfragen; nachdenken und grübeln; dann aber auch: sich überzeugen und zu einem Ergebnis kommen: „Mein Herr und mein Gott!“ 

Allerdings ist diese Art des Glaubens auch riskant. Es ist nicht überliefert, wie die anderen Apostel auf die Skepsis des Thomas reagierten, aber ein bisschen sauer werden sie schon gewesen sein, dass er ihnen nicht glaubte. Und Jesus war es offenbar auch: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ – das gibt er ihm noch mit, und Thomas ist der Blamierte.

Wer skeptisch glaubt, muss also auch mal mit Widerstand rechnen, vielleicht mal ein hartes Wort einstecken. In der Gemeinde oder in der Familie. Aber zwei Punkte machen Hoffnung: Thomas hat als Apostel trotzdem Karriere gemacht. Und Jesus hat – wenn auch knurrend – dessen Bedingung erfüllt: „Erst wenn ich ihn sehe, glaube ich.“

Die erste Gemeinde: begeistert und ein bisschen radikal

Die Apostelgeschichte wurde um das Jahr 90 nach Christus herum geschrieben. Rund 60 Jahre nach Jesus waren bereits viele Gemeinden entstanden, die erste in Jerusalem und dann immer weiter bis nach Rom. Das Buch will erzählen, wie es dazu kam.

Dazu blickt die Apostelgeschichte zurück auf die erste Gemeinde in Jerusalem, die gleich nach Himmelfahrt (Apg 1) und Pfingsten (Apg 2) entstanden oder besser gesagt, zusammengeblieben ist. Und man muss sagen: Hier läuft es rund, hier gibt es keine Fragen, hier herrscht die Begeisterung des Anfangs.

Ja, man könnte sogar sagen, aus heutiger Sicht übertreiben die ersten Christen ein wenig. Sie verkaufen Hab und Gut, teilen alles, verharren ständig betend im Tempel, halten Mahl und loben Gott. Klingt das nicht ein bisschen nach Sekte? Nach: Wir sind die Auserwählten und bald kommt der Herr und holt uns in sein Reich? Vorsorge fürs Alter, geregelte Arbeit – all das scheint unwichtig gewesen zu sein vor lauter religiöser Euphorie.

Ein bisschen neidisch kann man schon werden ob dieses unbedingten fraglosen Glaubens; ob dieser Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die das Leben teilen; ob dieser Konsequenz und Begeisterung. Auch wenn die Darstellung der Urgemeinde mit 60 Jahren Abstand zweifellos ein bisschen idealisiert ist: Wie viel schöner als heute muss das gewesen sein!

Allerdings mussten die ersten Christen auch erleben: Es blieb nicht so himmlisch. Nur ein paar Jahre später setzten Streitigkeiten ein, Spaltungen, Machtkämpfe. Enttäuschte verließen die Gemeinden – wer hoch fliegt, kann tief fallen. Und dennoch wäre es schön, sich ein bisschen davon zu bewahren: in der Gemeinde, im Verein, in der Bürgerinitiative, in der Ehe. Etwas von diesem ganz festen fraglosen Glauben an die gute Sache und an den, der alles in den Händen hält.

Die Etablierten: müde und ein bisschen trotzig

Und damit wären wir bei den Adressaten des ersten Petrusbriefs. Die sind weit weg vom Elan des Anfangs. Geschrieben wurde der Brief vermutlich um die Jahrhundertwende in Rom – und das war keine schöne Zeit und kein schöner Ort. Die Christen wurden verfolgt, sie litten, wurden eingesperrt, den Löwen vorgeworfen – und was sie jetzt am meisten brauchten war Standhaftigkeit: glauben trotz allem, was objektiv dagegensprach. Und das war viel!

Deshalb klingt die zweite Lesung dieses Sonntags ein bisschen wie eine Durchhalteparole: „Ihr seid voll Freude, wenn es auch für kurze Zeit jetzt sein muss, dass ihr durch mancherlei Prüfungen betrübt werdet.“ Für kurze Zeit? Aha, und wie kurz? Und woher weiß der Verfasser das? In Anbetracht dessen, dass die Christenverfolgung erst nach 300 aufhörte, war das eine ziemliche lange kurze Zeit. Generationenlang.

Nach Durchhalteparole klingen auch die folgenden Verse: dass die Verfolgung nur dazu da ist, den Glauben der Gemeinde zu prüfen, „zu Lob, Herrlichkeit und Ehre bei der Offenbarung Jesu Christi“. Wer jetzt leidet, kommt später in den Himmel – schöner Trost.

Aber so ist es eben manchmal mit dem Glauben in schweren Zeiten. Da hilft nichts außer Durchhalten. In Verfolgung – die es weltweit ja immer noch gibt –, in der Missbrauchskrise der Kirche, aber auch in persönlichen Krisen, in privatem Leid, in Tod und Not und Corona. Da kommt man manchmal nur mit ein bisschen Sturheit weiter: Ich will glauben – trotz allem, was objektiv dagegenspricht.

Und den Grund dafür liefert die Lesung gleich mit: Jesus Christus. „Ihn habt ihr nicht gesehen und dennoch liebt ihr ihn.“ Genau. Ihn, den Grund unseres Glaubens.

Drei Lesungen, drei Arten zu glauben: mal eher skeptisch, mal total begeistert, mal ein bisschen trotz allem. Und wie glauben Sie?

Susanne Haverkamp