„Wir brauchen Veränderungen“
„Macht und Ohnmacht in der Kirche“, so das Thema einer Diskussion in der Katholischen Akademie Hamburg. Professor Sander aus Salzburg fordert von der katholischen Kirche Konfrontation, Selbstreflexion und Diskussion.
Der Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Priester und Odensleute hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Auch im Erzbistum Hamburg wenden sich viele Katholiken resigniert von ihrer Kirche ab. Gleichzeitig fordern „emanzipierte Gläubige“, etwa Frauen mit der Aktion „Maria 2.0“, deutlich mehr Mitspracherecht. Die katholische Kirche befindet sich in einer „Situation existenzieller Erschütterung“, so die Einschätzung einer Besucherin der Katholischen Akademie Hamburg. Dort gab es am vergangenen Montag ein Podiumsgespräch zum Thema „Macht und Ohnmacht in der Kirche“. Es diskutierten Generalvikar Ansgar Thim, die ehemalige Staatsministerin Sylvia Löhrmann aus Solingen (Nordrhein-Westfalen) und der Dogmatik-Professor Hans- Joachim Sander aus Salzburg (Österreich). Neue Erkenntnisse gab es allerdings nicht, wie einige Zuhörer nach der zweistündigen Veranstaltung feststellten.
„Kirche ist eine lernende Institution“
Für Löhrmann ist die Kirche nach wie vor unverzichtbar. Als Beispiele nannte die Grünen-Politikerin die Flüchtlingshilfe, die Notfallseelsorge und katholische Kindertagesstätten. „Umso wichtiger ist es, dass die Institution Kirche wieder Vertrauen und Akzeptanz gewinnt. Sie muss sich radikal und schonungslos mit den Missständen auseinandersetzen, darf sich nicht auf ihrer Macht ausruhen, sie gar als gegeben ansehen. Kirche muss erkennen, dass sie eine lernende Institution ist und glaubwürdig Buße zeigen. Wir brauchen systematische Veränderungen.“
Eine Einschätzung, die Sander teilt. „Die Macht in der Kirche war lange Zeit ein Tabu. Dieses Tabu ist gefallen“, erklärte der Professor. „Die Menschen lassen sich heute nicht mehr in einer Weise disziplinieren, die nicht zu ihrem Vorteil ist.“ Macht sei etwas sehr Kreatives. „Aber es besteht die Gefahr, dass das selbstgerecht wird. Wer Macht bekommt, will über Grenzen gehen.“
Sander forderte, „Strukturen der Machtkontrolle“ einzuführen – und ist damit auf einer Wellenlänge mit Löhrmann. Sie wünscht sich Hürden, die verhindern, dass sich Macht verselbstständigt, etwa eine Amtszeitbegrenzung von kirchlichen Würdenträgern und die Wahl unabhängiger Gremien. Die katholische Kirche müsse von einer absolutistischen Monarchie zu einer parlamentarischen Demokratie werden – mit Teilhabe der Gläubigen. „Wenn nichts passiert, wird Kirche zu einer Nischeninstitution“, erklärte Sander. „Dann wird sie ihre gesellschaftliche Relevanz verlieren.“ Nötig seien nun Konfrontation, Selbstreflexion und Diskussion.
Auch Ansgar Thim betonte die Notwendigkeit für Veränderungen. „Ich wünsche mir, dass unsere Bischöfe mutig sind und neue Wege gehen, etwa in der Frauenfrage. Wir können als deutsche Kirche durchaus auch mal Vorreiter sein.“
Und der Generalvikar – Sander nannte ihn den „Bad Cop des Erzbischofs, der harte Entscheidungen zu fällen hat“ – sprach sich für Transparenz aus. Beispiel: die Schließung von katholischen Schulen im Erzbistum. „Hier haben wir viele Gespräche geführt und stets alle Zahlen offengelegt. Die Entscheidungen sind gemeinsam mit gewählten Gremien und mit Experten, auch über die Fachbereiche hinaus, gefallen. Unser Ziel ist es, das Schulsystem so aufzustellen, dass es auch noch die nächsten zwanzig bis dreißig Jahre lang Bestand hat. Ich hoffe, dass wir in einigen Jahren sagen können, das war eine gute Entscheidung.“
Text u. Foto: Norbert Wiaterek