Ökumene und Eucharistie
"Wir kämen der Einheit näher"
Rund 100 Mitglieder von Orden und geistlichen Gemeinschaften haben sich in Ottmaring bei Augsburg getroffen. Mitorganisiert hat die ökumenische Konferenz die Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz, Katharina Kluitmann (54), Moderator war Alois Schlachter, Missionar vom Kostbaren Blut (55). Im Interview sprechen die beiden Katholiken auch kirchliche Kontroversen an.
Schwester Katharina, Pater Alois, Ordensleute wie Sie gibt es immer weniger. Haben Sie bei Ihrer Tagung ein Wundermittel gegen den Schwund gefunden?
Kluitmann: Danach haben wir nicht gesucht. Gesucht haben wir nach neuen Wegen des gelingenden Miteinanders. Und da haben wir viel gefunden.
Schlachter: Wir haben sogar Wunder erlebt.
Bitte?
Kluitmann: Für mich war ein Wunder, dass wir sehr, sehr unterschiedlichen geistlichen Erfahrungen - geistlich im Sinne von Erfahrungen des Geistes - mit Respekt haben zuhören können. Auch solchen, die uns fremd waren.
Welche denn?
Kluitmann: Mir waren etwa sehr asketische Aspekte des Glaubens fremd. Wenn jemand dem Fasten einen solchen Stellenwert in seiner Frömmigkeit einräumt, ist mir das nicht nahe. Aber die entsprechende Schilderung habe ich als so authentisch erlebt, dass ich darin Geist gespürt habe.
Was bringt Ihnen so eine Erfahrung?
Schlachter: In mir hat es eine große Freude ausgelöst, dass es möglich ist, jemand anderen als gleichzeitig fremd und wahrhaftig zu erleben. Und dass man mit dieser Erkenntnis nicht nur neben-, sondern auch miteinander leben kann.
Kluitmann: Mir hat es gezeigt, dass wir Christen wie ein großer Fluss sind, auf dem oben drauf alle möglichen Blätter und vielleicht auch eine Flaschenpost hin und her schwappen. Unten drin aber fließt ein Grundstrom friedlich in dieselbe Richtung.
Wirklich neu ist diese Erkenntnis nicht. Hat es dafür eine Woche Tagung gebraucht?
Kluitmann: Im Kopf ist die Erkenntnis nicht neu. Aber die Erfahrung ist ja oft eine andere: Wir reden über interreligiösen Dialog und schaffen die Ökumene nicht. Wir reden über Ökumene und schaffen den Dialog zwischen den kirchlichen Lagern nicht. Daher hoffe ich für uns Christen Folgendes: dass wir alle katholisch - also weltumspannend - und alle orthodox - rechtgläubig - werden, weil wir doch alle evangelisch sind. Denn ohne Evangelium sind wir ja alle nichts.
Schwester Katharina, Sie sagten bei der Konferenz, die Eucharistie sei das Werkzeug zur Einheit der Christen. Werden Sie die noch erleben?
Kluitmann: Ich weiß es nicht. Ich glaube, die Erkenntnis des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass die Eucharistie Zeichen und Werkzeug ist, ist ganz wichtig. Das bedeutet, dass wir in Sachen Eucharistie nicht darauf warten können, bis diese Zeichen einer vollkommenen Einheit ist - von der ich behaupte, dass sie auch innerkatholisch nicht existiert.
Sie plädieren also für ökumenische Eucharistieteilnahme?
Kluitmann: Ja, auch wenn das katholische Lehramt das anders sieht. So kämen wir der Einheit näher. Das haben wir bei unserer Tagung auch erlebt.
Schlachter: Papst Franziskus' Anstoß, dieses Thema als eigene Gewissensentscheidung anzugehen, wird zunehmend gelebt. Das finde ich schön.
Sind Sie beide zum evangelischen Abendmahl gegangen?
Schlachter: Bei unserer Konferenz stellte sich die Frage nicht, es gab nur katholische Eucharistiefeiern. Aber zu denen sind auch Protestanten gegangen. Und es gab dazu keine Abwehrreaktionen.
Bemerkenswert - bei Ihrer Teilnehmerliste. Immerhin war Kardinal Joao Braz de Aviz zu Besuch, ein Kurienpräfekt aus dem Vatikan.
Kluitmann: Richtig. Man hätte da als Katholik empört sein können - war aber niemand. Es war einfach stimmig.
Sie, Schwester Katharina, haben sich bei der Konferenz auch zum Thema Zölibat geäußert. Sie sagten, gerade die, die freiwillig ehelos lebten, könnten unverdächtig die Frage stellen, ob der Zölibat für Priester zwingend sein sollte. Wie meinen Sie das?
Kluitmann: Ordensleute leben ehelos, da sie es so wollen. Andernfalls könnten sie ja andere Formen von Glaubensgemeinschaften wählen. Sie schätzen die Ehelosigkeit also und leben sie als eine Art der Gottesbeziehung. Die Frage beim Priesterzölibat ist nicht, ob ein eheloses priesterliches Leben sinnvoll ist. Das ist es! Aber ich halte das Priestertum für eine Berufung, und der könnten bestimmt auch Ehemänner und Familienväter bestens nachkommen. Doch ich weiß auch, dass dadurch ein Problem auf uns zukäme: Kriegten wir verheiratete Priester, kriegten wir auch geschiedene Priester. Wir als Kirche sollten schlicht ergebnisoffen darüber reden.
Schlachter: Wegen des Priestermangels muss jedenfalls etwas geschehen.
Kluitmann: Es steht nämlich zu viel auf dem Spiel: Das Bewusstsein für die Eucharistie droht verloren zu gehen, wenn die Priester immer weniger werden. Dieses Bewusstsein ist aber wichtiger als die Frage, wie Priester leben.
Und wie sieht's mit der Frage der Frauenweihe aus?
Schlachter: Kirche muss jedenfalls geschwisterlicher werden.
Kluitmann: Ein Sprechverbot funktioniert heute bei keiner Frage mehr.
Wünschen Sie sich das als Motto für den synodalen Weg, die angekündigte kirchliche Reformdebatte?
Kluitmann: Ich wünschte, die Synodalen kommen so zusammen, wie wir es jetzt getan haben. Dass sie sagen: Das kann ich mir gar nicht vorstellen, was du da sagst - aber ich muss dich nicht dafür verketzern.
Schlachter: Hoffentlich schaffen sie es, dass es dabei weniger ums Rechthaben geht und mehr um die Offenheit für Gottes große Schöpfung. Dass jeder angstfrei einbringen kann, was er denkt, und eine Reaktion in Geschwisterlichkeit erhält. Daraus könnte etwas erwachsen.
Kluitmann: Ein Geist der Einheit nämlich, der nicht der Geist der Zustimmung sein muss.
Kritiker fürchten, Reformen könnten zu Spaltungen führen.
Kluitmann: Ich befürchte größere Spaltungen, wenn wir keinen Weg in die Zukunft gehen.
Schlachter: Die meisten Menschen gewöhnen sich auch schnell an Sachen, die mal neu gewesen sind.
kna