Pastorale Mitarbeiter fordern Erneuerung

„Wir müssen jetzt aufstehen“

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Mit einer eindrucksvollen Gebetswache begleiten weit über 50 pastorale Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem Bistum Osnabrück die Bischofskonferenz in Lingen. Mit deutlichen Worten machen sie vor dem Ludwig-Windthorst-Haus ihren Gefühlen Luft und fordern dabei eine Erneuerung der Kirche.

Mit Gebeten, Bibeltexten und Liedern wollen Haupt- und Ehrenamtliche aus dem ganzen Bistum die Bischofskonferenz begleiten.

 

Aus dem ganzen Bistum sind die Frauen und Männer zu dieser Gebetswache nach Lingen gefahren. Pastoral- und Gemeindereferenten gehören dazu, Diakone und Krankenhausseelsorger, Mitarbeitende aus dem Bischöflichen Generalvikariat, engagierte Ehrenamtliche und auch einige Pfarrer. Zwei Stunden lang stehen sie bei eisigem Wind in einem großen Kreis direkt vor dem Lingener Ludwig-Windthorst-Haus – dort, wo drinnen die Bischöfe in ihrer Frühjahrsvollversammlung tagen. Mit Gebeten und Bibelstellen, mit Psalmen und Liedern, mit ihren Gedanken und laut ausgesprochenen Hoffnungen wollen sie die Konferenz begleiten – damit die Bischöfe mutige und beherzte Schritte für eine echte Erneuerung der Kirche machen. Aus Quakenbrück ist fast das ganze pastorale Team angereist: „Wir haben unsere Dienstbesprechung unterwegs im Bulli gemacht. Uns war es wichtig, hier Präsenz zu zeigen und mitzumachen. “ Dabei sind die Gedanken und Gebete besonders bei den Opfern von sexualisierter Gewalt, von geistlichem Missbrauch, von Übergriffen und Grenzüberschreitungen. Mehrere Beiträge und Fürbitten gelten den Betroffenen.

"Heiliger Zorn, dass so etwas geschehen konnte und noch kann"

Denn auch die pastoralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den verschiedenen Arbeitsfeldern wollen nicht mehr länger schweigen. „Wir werden in diesen Tagen wieder durch Nachrichten über sexuelle Gewalt eines Priesters gegenüber anvertrauten Personen erschüttert. Viele fühlen sich wahrscheinlich solchen Nachrichten gegenüber ohnmächtig ausgeliefert, entwickeln heiligen Zorn darüber, dass so etwas geschehen konnte und noch kann“. Das hatten die Vorsitzenden der Mitarbeitervertretungen, Jutta Sievers und Inga Schmitt, sowie die Sprecher/innen der verschiedenen Berufsgruppen in der Einladung zu der kurzfristig organisierten Aktion geschrieben. Die Lathener Gemeindereferentin Maria Schröer, die den Anstoß zu der Gebetswache gab, bekräftigt das noch einmal vor Ort:  „Wir können nicht mehr sitzenbleiben, wir müssen jetzt aufstehen.“

Bischof Franz-Josef Bode bedankt sich bei den pastoralen Mitarbeitern ausdrücklich für die Gebetswache.

 

Bischof Franz-Josef Bode hat das Anliegen unterstützt. Und er tritt nach den Beratungen des Vormittags selbst vor die Tür des LWH, stellt sich an die Seite seiner Mitarbeiter und bedankt sich bei ihnen für die Aktion – sagt, dass die Gebete schon den Vormittag gut begleitet haben. „Ich bin optimistisch.“ Er muss weiter zur nächsten Pressekonferenz, aber der Limburger Bischof Georg Bätzing und vor allem der Osnabrücker Weihbischof Johannes Wübbe singen und beten weiter mit. Wübbe, der ganz ohne Mantel in der Kälte steht, bleibt trotzdem bis zum Schluss dabei.

Menschen verzweifeln an der Kirche

Er sieht dabei genauso nachdenklich und berührt aus wie die anderen Teilnehmer. Man spürt, dass die Ereignisse der letzten Monate an die Substanz, an die Identität der Hauptamtlichen gehen. Das ist an keinem spurlos vorbeibegangen. Von großer Enttäuschung ist die Rede, von einer Kernschmelze der katholischen Kirche und bei manchem Redebeitrag ist auch ein Stück Wut dabei. Jutta Sievers, die seit 32 Jahren als Gemeindereferentin arbeitet und nun in Kirchweyhe tätig ist, sagt ins Mikro: „Ich habe damals angefangen bei der Kirche zu arbeiten, weil ich zu den Guten gehören wollte. Jetzt gehöre ich nicht mehr zu den Guten.“ Auch viele andere machen ihren Gefühlen mit solchen deutlichen Worten Luft. Sie erzählen, was sie immer öfter bei ihrer Arbeit hören – von Menschen, die mit Kirche und Glaube immer treu verbunden waren, die jetzt aber daran verzweifeln und „sich wie an einem Abgrund fühlen“.

Und es gibt handfeste Forderungen an die Kirchenleitungen. Katharina Abeln, die Vorsitzende des Katholikenrates im Bistum Osnabrück, hat sich eine selbstgebastelte Mitra aufgesetzt. Darauf steht: „Berufen zum allgemeinen Priestertum – ich auch.“ Maria Schröer fordert ebenfalls, „dass Frauen zu allen Weiheämtern zugelassen werden und bis in alle Etagen mitbestimmen dürfen“. Und mit Blick auf die Opfer von sexueller Gewalt sagt sie: „Die Bischöfe müssen endlich zu den Opfern gehen, sich mit ihnen an den Tisch setzen und ihnen beistehen.“ Am Ende sagt ein Pastoralreferent: „Ich hoffe, dass von Lingen ein Ruck ausgeht. Dass dort einer aufsteht und vorangeht.“ Und dabei schaut er auf das Ludwig-Windthorst-Haus, wo drinnen die Bischöfe sitzen.

Petra Diek-Münchow

Fotos: Gerold Meppelink und Petra Diek-Münchow