Caritas international hilft den Menschen in der Ukraine

"Wir müssen uns behaupten"

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Russlands Armee attackiert gezielt die Energieversorgung der Ukraine, um die Menschen zu zermürben und in die Flucht zu treiben. Caritas International hilft den Leidenden – und stärkt ihre Hoffnung, in Freiheit zu überleben.

Foto: imago/itar tass
Russland hat zahllose Wohngebäude in der Ukraine kaputtgebombt. Aber die Menschen geben nicht auf. Foto: imago/ITAR TASS

Von Kerstin Ostendorf

„Kälte und Dunkelheit, darunter leiden die Menschen in der Ukraine momentan besonders“, sagt Oliver Müller. Weil Russland gezielt die Wärme- und Energieversorgung der Ukraine angreift, fallen immer wieder Strom, Wasser und Heizungen aus. Müller, der Leiter von Caritas International, sieht darin eine klare Kriegsstrategie: „Putin will die Menschen zermürben und in die Flucht treiben.“ Würde etwa die Strom- und Wärmeversorgung in Kiew dauerhaft ausfallen, müssten mehrere Millionen Menschen evakuiert werden. 

„Die Menschen, die in großen Wohnblocks leben, können sich jetzt ja kaum noch helfen, wenn die Heizung ausfällt. Sie können nicht einfach einen Kohleofen in ihre Wohnung einbauen“, sagt Müller. Vor allem ältere und kranke Menschen, die in zerstörten Häusern ausharrten, seien nun gefährdet. 

Seit Kriegsbeginn unterstützt das Hilfswerk die Menschen mit Lebensmitteln und Kleidung. Die Caritas Ukraine hat mehr als 180 Notunterkünfte aufgebaut und bietet medizinische und psychologische Hilfe. Nun, zu Beginn des Winters, verteilen die Mitarbeiter auch warme Kleidung und Decken. „Für Kiew sind in diesen Tagen Temperaturen von minus 1 bis minus 5 Grad angesagt. Das geht an die Substanz“, sagt Müller.

Besonders auf dem Land sei die Not groß. „In der Stadt finde ich vielleicht noch bei einem Freund Unterschlupf oder kenne jemanden, der in einem anderen Stadtteil lebt und dessen Heizung noch funktioniert“, sagt Müller. Auf dem Land sei das schwieriger: „Muss dort der einzige Supermarkt schließen oder wird die einzige Apotheke ausgebombt, gibt es einfach nichts mehr.“

Zusätzlich zur Nothilfe hat die Caritas Ukraine 3000 Wohnungen und Häuser instandgesetzt. „Dabei haben wir uns auf die Fälle konzentriert, bei denen wir mit vergleichsweise geringen Mitteln viel bewirken konnten. Wir haben etwa Fenster repariert oder zerstörte Räume abgetrennt, so dass Familien wieder einziehen konnten“, berichtet Müller. 

Aber auch für die Helferinnen und Helfer sei die Lage gefährlicher geworden. „Der Beschuss, der sich nun auf das ganze Land erstreckt, beeinträchtigt unsere Hilfsmaßnahmen“, sagt Müller. Es sei zum Beispiel schwieriger geworden, Lagerhäuser zu besuchen. Auch die Stromausfälle seien eine Herausforderung: Die ganze Organisation der Hilfe, alle Verteillisten seien EDV-basiert. 

Die erschöpften Helfer sollen in Deutschland durchatmen

Müller sorgt sich: „Die Helferinnen und Helfer sind erschöpft, sie drohen zusammenzubrechen. Fast jeder hat in der Familie oder im Bekanntenkreis jemanden, der verletzt oder gar getötet wurde.“ Die Helfer würden sich keine Auszeiten gönnen: „Sie fühlen sich verpflichtet, das Maximum zu leisten und für andere da zu sein.“ Müller überlegt nun, ukrainische Helfer für eine Woche nach Deutschland zu holen: „Dann können sie hier einmal durchatmen.“ 

Trotz allem seien die Menschen zuversichtlich, sagt Müller. „Sie begegnen der Situation mit Trotz, Mut und Entschlossenheit. Sie sagen: Wir müssen diesen Krieg gewinnen, wir müssen uns behaupten. Wir werden alles geben, dass wir in einem freien Land überleben.“