Krippenfeier in der Familie

Wir steh'n an deiner Krippe

Image

Glöckchen klingelt, Tür auf, Geschenke aufreißen? Oder doch erst ein kurzer Zwischenstopp an der Krippe? In manchen Familien ist es Brauch, die Bescherung mit einem Gottesdienst zu beginnen. Ein Erfahrungsbericht.

Foto: kna/CIRIC/Corinne Simon
Mehr als Tannenbaum und Geschenke: Christen feiern das Kind in der Krippe. Foto: kna/CIRIC/Corinne Simon


Es war ein jährlich wiederkehrendes Ritual: Mit meinen drei Geschwistern stand ich Heiligabend vor der verschlossenen Wohnzimmertür. Das Licht im Flur war abgedunkelt, draußen war die Dämmerung hereingebrochen. In gespannter Erwartung standen wir Kinder vor dem Wohnzimmer, bis meine Mutter die Tür öffnete und den Blick freigab auf den festlich geschmückten Weihnachtsbaum mit seinen funkelnden Kerzen. Davor stand die schlichte Holzkrippe ohne Schnickschnack. Links und rechts daneben lagen die Geschenke. 

Doch bevor wir diese öffnen durften, feierten wir einen Hausgottesdienst. Jedes Jahr holten meine Eltern dafür einen über die Jahre zerfledderten Zettel aus irgendeiner Mappe. Quietschgrün war er, „Weihnachten in der Familie 1980“ stand drauf. 
1980 war schon längst Geschichte, die Mauer gefallen, aus uns Kindern waren Jugendliche und junge Erwachsene geworden, doch das Faltblatt kam immer noch zum Einsatz. Lieder, Gebete, die Weihnachtsbotschaft aus der Bibel, Fürbitten. Je größer wir wurden, desto mehr bezogen unsere Eltern uns ein, reichten das Faltblatt weiter, damit einer von uns den nächsten Abschnitt vortragen konnte. Je nach Pubertätsstand reichten wir den Zettel auch mal ohne zu lesen weiter.

Nach jedem Lied wechselt der Vorleser

Einmal zu Hause ausgezogen, habe ich diese Tradition fortgesetzt. Auch bei uns gibt es vor der Bescherung einen Hausgottesdienst. Aber ohne das Faltblatt meiner Eltern. Jedes Jahr im Advent veröffentlichen die bayerischen Diözesen Vorschläge für Hausandachten. Im Internet sind die Vorlagen zu finden; daran bedienten wir uns einige Jahre lang. 

Jetzt nutzen wir die Vorlage „Feier am Heiligen Abend“ aus dem Gotteslob. Die Kinder, meine Frau und ich sitzen im Halbkreis auf dem Boden vor Krippe und Weihnachtsbaum, Oma und Opa dürfen auf dem Sofa Platz nehmen. Einer von uns Erwachsenen beginnt mit dem Kreuzzeichen und liest den ersten Abschnitt des Weihnachtsevangeliums. Der Entwurf sieht vor, dass an bestimmten Stellen Lieder gesungen werden. Das machen wir natürlich. 

Allerdings haben wir ein eigenes Liedprogramm. Mit Bleistift stehen im Gotteslob die alternativen Liednummern. Sonst müssten wir uns zum Beispiel zwischen „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“ entscheiden. Aber beide Klassiker dürfen bei uns nicht fehlen. Nach jedem Lied wechselt der Vorleser. Selbst im Grundschulalter können Kinder die Texte und Gebete vorlesen und werden so aktiv einbezogen. 

Nach Weihnachtsevangelium und Liedern folgt ein Christusgebet mit Lobpreisungen: „Wir loben dich. Wir danken dir“, antworten alle. Auch Fürbitten sind vorgesehen. Hier könnte man eigene Bitten formulieren. Wir nehmen aber meist die vorgeschlagenen Bitten und beten am Ende gemeinsam das Vaterunser. 

Der kleine Gottesdienst dauert eine knappe halbe Stunde. Die Augen der Kinder wandern zwischendurch immer wieder zu den Geschenken, im Lauf der Feier rutschen sie unauffällig ein Stückchen näher. Manchmal wird es auch unruhig. Doch uns ist wichtig, dass wir neben dem Zusammensein in der Familie, dem guten Essen und den Geschenken nicht vergessen, warum wir Weihnachten feiern. Deshalb ist die Hausandacht zu Heiligabend ein festes Ritual. Unsere Kinder kennen es nicht anders. So gibt es auch keine Chance, dass ein Gefühl von Peinlichkeit aufkommt. 

Und so stehen auch in diesem Jahr unsere Kinder vor der Wohnzimmertür und warten darauf, dass es endlich losgeht. Einen Unterschied zu meiner Kindheit gibt es dabei allerdings: In meinem Elternhaus war die Wohnzimmertür aus Holz und ließ keinen Blick durch. Unsere Tür besteht vor allem aus Glas. Die Kinder können sich also schon an der geschlossenen Tür die Nasen plattdrücken und Weihnachtsbaum und Geschenke sehen. Vielleicht hätten wir schon bei der Auswahl der Tür an Heiligabend denken sollen.

Der Hausgottesdienst für Heiligabend steht im Gotteslob unter der Nummer 26.

Ulrich Waschki