"Wort des Bischofs" von Bischof Georg Bätzing zu Ostern

„Wir werden auferstehen“

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„An Ostern darf gerungen werden.“ Das schreibt Bischof Georg Bätzing in seinem Osterbeitrag für den „Sonntag“. Wer frage und zweifle, suche den Auferstandenen und gebe sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden.

Buntglasfenster in der Hundertwasserkirche in Bärnbach. Vor dem Fenster ist auf dem Taufbecken ein Gegenlicht zu sehen als Symbol der Auferstehung. | Foto: kna
Buntglasfenster in der Hundertwasserkirche in Bärnbach.
Vor dem Fenster ist auf dem Taufbecken ein Gegenlicht zu
sehen als Symbol der Auferstehung. Foto: kna

Die in Frankfurt geborene Schriftstellerin Katharina Hacker hat lange in Israel gelebt und sich mit jüdischer Gegenwartskultur beschäftigt. Davon ist auch ihr Roman „Skip“ geprägt (Frankfurt 2015). Er erzählt vom israelischen Architekten Skip Landau und seiner Familie. Die Krebserkrankung von Shira, seiner Frau, belastet alle. Nach einer Zeit des Hoffens und Bangens muss sie sterben. Katharina Hacker erzählt mit einem ausgeprägt feinen Gespür für Beziehungen. Und sie bedenkt wichtige existentielle Fragen, in die sie die Leser einbezieht, denn es sind Themen, denen sich niemand entziehen kann.

Ein Beispiel: „Shira kam herein, in diesem hellen, dünnen Nachthemd, anscheinend hatte sie ihre Haare schon gebürstet, ihre Augen groß, wie aufgerissen von der Anstrengung, sie überhaupt zu öffnen, wie nach der Auferstehung der Toten, fuhr es mir durch den Kopf. Und die Auferstehung gelingt nicht, wusste ich plötzlich, sie findet statt, aber sie missrät, weil die Güte Gottes nicht ausreicht dafür, dieses letzte Projekt übersteigt seine Kräfte, und was aufersteht, ist nur ein trauriges Spiegelbild, als hätten die Würmer den inneren Zusammenhang, das lebendige Miteinander der Gliedmaßen aufgefressen“ (Seite 137).

Ein irritierender Gedanke, und doch meine ich, er führt mitten in die Suchbewegung, in die uns auch das Osterevangelium des Johannes mitnimmt (Johannes 20,1-18). Gehen und laufen, suchen und entdecken, vermissen und vermuten, angesprochen werden und erkennen, unsicher bleiben und doch bezeugen – das alles gehört zur Ostergeschichte. So formt sich allmählich die Gewissheit, die für unseren Glauben alles entscheidend ist: Der Herr ist auferstanden – mit seinem Leib, mit seinen Wunden, berührbar, sichtbar, verständlich.

Erlösung geschieht christlich verstanden nicht einfach körperlos

Und das lässt uns hoffen: Auch wir werden auferstehen mit Leib und Seele – auferstehen nicht nur in irgendwie geistiger Weise, sondern leibhaft mit unserem Fleisch und allem, was uns als körperliche Wesen ausmacht. Am Tag der Auferstehung werden wir einander wiedererkennen, nicht bloß an unserem inneren Charakter, sondern auch an unserem Lachen, unserer Stimme, unsern Gesten, Narben und all den sichtbaren Zügen, die eine einzigartige Lebensgeschichte in uns ausgeprägt hat – und mit unserem feinfühligen, bitteren, wachen, wunden, kindlichen, starken Herzen, das der Glaube an Jesus zu unseren Lebzeiten formen durfte.

Denn Erlösung geschieht christlich verstanden nicht einfach körperlos, sie schleicht sich nicht sozusagen an unserer menschlichen Eigenart vorbei, sondern spielt sich mitten in ihr ab.

Übrigens ist unsere Glaubensgewissheit der leiblichen Auferstehung auch der Grund, warum sich Christen von Anfang an der Wunden und Gebrechen von Menschen angenommen haben. Das Christentum ist, so hat es jemand gesagt, die „Religion umfassender Wundversorgung“ (Volker Demuth).

Allerdings musste das Christentum in seiner Geschichte die hohe Wertschätzung für den Leib erst mühsam lernen gegen die Versuchung, alles Körperliche einerseits abzuwerten, andererseits achtlos auszubeuten. Doch Gott sei Dank haben wir gelernt und sind weiter dabei zu entdecken, welche Auswirkungen unser Glaube für unseren Umgang mit der eigenen Leiblichkeit hat.

„Ob das auch wirklich alles wahr ist?“

Bischof Georg Bätzing Foto: Bistum LimburgWir wollen aber auch ehrlich bleiben: Nirgends mischt sich in unserem Glauben so schnell der Zweifel ein wie an Ostern. Ich erinnere mich gut, wie erschrocken ich einmal über meine Mutter war. Wir saßen nach dem Hochamt an Ostermontag am Mittagstisch. Da meinte sie mit ihren damals 75 Jahren ganz unvermittelt: „Ob das auch wirklich alles wahr ist?“
Erst war ich sprachlos, aber dann musste ich zugeben, dass ich selbst doch auch meine Anfragen an die Auferstehung habe. Und das ist gut. Wer fragt und zweifelt, der zeigt Interesse. Den lässt die Botschaft nicht in Ruhe. Der will sich und sein Leben daran hängen. Der sucht den Auferstandenen und gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden.

Für mich sind die Ostererzählungen der Evangelien deshalb so glaubwürdig, weil sie aufrichtig vom Ringen und Zweifeln der Osterzeuginnen und Osterzeugen berichten – und es nicht unter den Teppich euphorischer Freude über die Begegnung mit dem Auferstandenen kehren. An Ostern darf gerungen werden.

Die es aufgegeben haben, die haben oft auch den Glauben selbst ad acta gelegt. Wir stehen ja in einer Zeit, in der christlicher Glaube und Weltdeutung offensichtlich weniger verbreitet sind als früher – und damit auch die Hoffnung auf Auferstehung und Erlösung. Ja, ich behaupte sogar: Viele Getaufte, die nach wie vor treu ihre Kirchensteuer zahlen, weil sie überzeugt sind von der positiven Wirkung des kirchlichen Sozialengagements, können mit Ostern im Grunde nicht viel anfangen, weil sie den Glauben an die Auferstehung nicht teilen können.

Auch für sie alle behält die Leiblichkeit eine Bedeutung, aber rein innerweltlich gewendet. „Das Fleisch ohne göttliche Erlösungshoffnung wird zum diesseits gestylten Körper modelliert, zur – in seinen Organen – auswechselbaren mechanischen Maschine Leib transformiert, in seiner Unvollkommenheit freigegeben zur Optimierung durch plastische Chirurgie, durch computerunterstützte Prothesen – bis hin zum möglichst weiten Hinausschieben der Sterblichkeit durch die Phantasmen des Ewig-jung-und-schön“ (Johannes Röser).
Aber irgendwann kommt er dann doch: Der Tod ist unausweichlich. Für manche kommt danach noch „irgendwas“, doch für viele ist es damit auch aus und vorbei.

Ein Gegenentwurf, den nicht alle Menschen mit uns teilen

„Auferstehung“ ist und bleibt ein Gegenentwurf, den nicht alle Menschen mit uns teilen werden. Sie ist eine „Zumutung aus dem Ewigen“, die Glauben voraussetzt. Aber sie ist als Geglaubte mindestens so vernünftig wie ihre Zurückweisung als eine pure religiöse Einbildung. Für mich sprechen drei Gründe dafür: Forschung und wissenschaftliche Erkenntnis haben bis heute das große Rätsel nicht lösen können, warum wir Menschen Körper sind und Geist – und nicht nur das eine oder das andere. Und davon ist das Geheimnis der Schöpfung nicht zu trennen, warum überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts. Warum sollten wir und die ganze wunderbare Schöpfung nicht dem Willen Gottes entstammen?

Einen zweiten Grund liefert mir Katharina Hacker mit ihrer tiefsinnigen Anfrage an Gottes Güte. Wie weit reicht sie? Wenn wir aus Gottes reiner Güte leben dürfen, sollte sie dann nicht auch die Größe haben, uns über den Graben des Todes hinweg zu retten? Weil Gottes „Güte reicht, so weit der Himmel ist“, wie es in Psalm 36,5 heißt, darum ist sie vollkommen ausreichend, uns mit Leib und Seele die Auferstehung zu gönnen.

Und schließlich ist es Jesu Liebe, die mich überzeugt. Er lebt! Das mussten die Jünger und Jüngerinnen gegen ihren gesunden Menschenverstand erkennen. Denn er stellte sich ihnen leibhaft in den Weg, als sie nach der
großen Erschütterung des Karfreitags rasch in ihren kleinen Alltag zurückkehren wollten. Er lebt. Und er ließ sie nicht los. Mit Haut und Haaren, mit Herz und Verstand hat er sie als Zeugen in Anspruch genommen.
Nie wieder war für sie Alltag. Denn Ostern veränderte alles. Wie sehr wünsche ich uns, dieser eine Tag würde auch uns im Innersten erschüttern, uns ergreifen – und alles verändern.